Britischer Junge gestorben Ende eines Dramas: Der kleine Alfie ist tot
Liverpool/Rom (dpa) - Der schwer kranke britische Junge Alfie ist in der Nacht zum Samstag im Kinderkrankenhaus in Liverpool gestorben. Das knapp zwei Jahre alte Kind erlag um 3.30 Uhr (MESZ) einer Erkrankung, die sein Hirn weitgehend zerstört hatte.
„Unserem kleinen Jungen sind Flügel gewachsen“, schrieb Alfies Vater auf Facebook. Sein Gladiator habe seinen Schild abgelegt.
Zwischen Ärzten und Eltern hatte es zuvor einen erbitterten Streit um das Schicksal des Jungen gegeben. Der Umgang mit Alfie beschäftigte mehrere Gerichte und sogar den Papst. Mediziner anderer Länder mahnten an, dass sich ein solcher Fall nicht wiederholen dürfe.
Das Kinderkrankenhaus Alder Hey kondolierte auf seiner Website Alfies Familie: „Unsere Gedanken sind mit ihnen.“ Die Eltern durchlebten eine extrem schmerzliche Zeit. Die Privatsphäre der Familie, aber auch die der Mitarbeiter des Krankenhauses müsse gewahrt werden. Trauende legten vor der Klinik Teddybären und Blumen ab.
Mediziner konnten Alfies neurologische Erkrankung nicht eindeutig diagnostizieren. Fast sein ganzes Gehirn war den Ärzten zufolge geschädigt. Er konnte sich demnach nicht bewegen, sprechen und hören. Die britischen Ärzte hielten lebenserhaltende Maßnahmen für sinnlos und stellten sie am vergangenen Montag ein. Zur Überraschung der Mediziner atmete der Junge von allein weiter, wie sein Vater sagte.
Die Eltern wollten, dass Alfie so lange wie möglich lebt. Sie kämpften daher auch für eine Behandlung im Ausland. Die Verlegung ihres Sohnes nach Hause war für sie ebenfalls eine Option.
Viele Demonstranten unterstützen das Anliegen des jungen Paares, einige bedrohten sogar das Klinikpersonal. Die Polizei musste das Gebäude schützen. Im Internet wurden Spenden gesammelt. Kurz vor Alfies Tod zeigten sich die Eltern etwas versöhnlicher: Sie wollten mit den Ärzten zusammenarbeiten, wie sie Donnerstagabend ankündigten.
Sogar der Papst hatte sich für Alfie eingesetzt. Die italienische Regierung setzte alle Hebel in Bewegung, um den Jungen ins vatikanische Kinderkrankenhaus Bambino Gesù zu bringen. Dies wurde von einem britischen Gericht allerdings untersagt.
Die Chefin des Krankenhauses in Rom, Mariella Enoc, hofft, dass sich solche „ideologischen Auseinandersetzungen und Kämpfe“ künftig nicht wiederholen. Es sei an der Zeit, dass auf internationaler Ebene Wissenschaftler, Krankenhausärzte, Familien und Institutionen darüber in den Dialog treten, sagte Enoc der Nachrichtenagentur Ansa am Samstag. Sie hatte sich dafür eingesetzt, dass Alfie im Bambino Gesù behandelt wird und war dafür selbst nach Liverpool geflogen.
Auch der deutsche Experte Nikolaus Haas hatte scharfe Kritik am Umgang mit dem Fall in Großbritannien geübt. In Deutschland wäre Alfie „selbstverständlich auf Wunsch der Eltern weiterbehandelt worden“, sagte der Professor für Kinderkardiologie und Pädiatrische Intensivmedizin vom Universitätsklinikum München der Deutschen Presse-Agentur wenige Tage vor dem Tod des Kindes. Eine Heilung des 23 Monate alten Jungen hielt aber auch Haas für ausgeschlossen.
Der Mediziner hatte im Auftrag eines britischen Gerichts ein Gutachten erstellt und die Verlegung des Jungen in ein Krankenhaus in Deutschland, Italien oder nach Hause befürwortet.
Haas vermutete hinter der harten Haltung der britischen Ärzte auch die Furcht vor Kosten für das nationale Gesundheitssystem NHS durch ähnliche Fälle - und Arroganz. In Großbritannien herrscht ihm zufolge eine Kultur, in der Entscheidungen von Ärzten und dem Gesundheitssystem schwer infrage gestellt werden könnten.
Der Fall von Alfie erinnert an den von Charlie Gard. Charlie, der einen extrem seltenen Gendefekt hatte, starb im vergangenen Sommer nach monatelangem juristischen Tauziehen in einem Hospiz. Er wurde nur elf Monate alt. Dem Wunsch der Eltern, ihn für eine experimentelle Behandlung in die USA auszufliegen, hatten britische Gerichte bis zuletzt nicht entsprochen. Auch damals hatte sich der Papst eingeschaltet - und auch US-Präsident Donald Trump.