EU-Behörde empfiehlt schärferen Grenzwert für Bisphenol A
Parma (dpa) - Der empfohlene Grenzwert für die umstrittene Chemikalie Bisphenol A (BPA) ist deutlich verschärft worden. Sie steckt unter anderem in Kassenbons und Plastikgeschirr.
Die EU-Behörde für Lebensmittelsicherheit EFSA setzte die tolerierbare Aufnahme des Stoffes von 50 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht und Tag auf 4 herunter. Der Stoff steht im Verdacht, Erkrankungen des Hormonsystems sowie des Herzkreislauf- und Nervensystems auszulösen.
In der neuen Bewertung über Bisphenol A kamen die Experten jedoch zu dem Schluss, „dass BPA bei der derzeitigen Verbraucherexposition für keine Altersgruppe ein Gesundheitsrisiko darstellt“. Die Aufnahme über Ernährung oder durch eine Kombination verschiedener Quellen wie Ernährung, Staub, Kosmetika und Thermopapier von Kassenbons liege deutlich unterhalb der sicheren neuen Obergrenze, teilte die EFSA am Mittwoch im italienischen Parma mit. Sie liefert für die EU-Kommission und die EU-Länder Risikobewertungen, erlässt aber selbst keine Verbote oder Ähnliches.
„Das Gremium beschloss, die Sicherheit von BPA aufgrund der Veröffentlichung einer überwältigenden Zahl neuer Forschungsstudien in den letzten Jahren neu zu bewerten“, erklärte Trine Husøy von der BPA-Arbeitsgruppe. Der Stoff sei demnach schädlich für Leber und Niere. Die Konzentration müsse dann allerdings um mehr als das Hundertfache über der neuen Obergrenze liegen.
Studien, die Bisphenol A als Ursache für andere Krankheiten nennen, sind laut EFSA weniger aussagekräftig, heißt es dagegen weiter. Folgen für die Fortpflanzungsorgane, das Stoffwechsel-, Herz-Kreislauf-, Nerven- und das Immunsystem „werden derzeit nicht als wahrscheinlich erachtet“, könnten aber nicht ausgeschlossen werden. Das gelte auch für Krebs.
Grund für den Richtungswechsel bei dem Grenzwert war nach EFSA-Angaben, dass bei der letzten Bewertung im Jahr 2006 weniger Daten zur Verfügung standen. Der neue Grenzwert sei noch vorläufig, solange die Ergebnisse einer Langzeitstudie mit Ratten in zwei bis drei Jahren vorliegen.
„Im Allgemeinen ist die Belastung für Kinder geringer als die 4 Mikrogramm pro Kilo Körpergewicht und Tag“, bestätigte auch Chemikalien-Experte Andreas Gies vom Umweltbundesamt in Dessau. In einer europäischen Studie mit 600 Kindern sei der Wert nur in zwei Fällen überschritten worden. Dennoch sollte man Bisphenol A möglichst meiden. „Hauptquellen sind Innenbeschichtungen von Konservendosen sowie Polycarbonat im klaren Plastik, das in DVDs, Plastikgeschirr und Möbeln vorkommt“, erläuterte Gies. „Ich rate, es zu vermeiden und etwa auf Konserven zu verzichten. Kassenbons sollten nicht in Kinderhände gelangen und nicht in Taschen zerknüllt werden.“
„Es gibt viele Studien, die auch unter 4 Mikrogramm pro Kilo und Tag Auswirkungen auf Gehirn und Verhalten zeigten, und es wirkt auf jeden Fall hormonähnlich“, erläuterte Gies. „In jedem Fall ist es giftig für die Fortpflanzung, und da gibt es generell keine Grenzwerte.“ Der Toxikologe des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), Detlef Wölfle, verwies dagegen darauf, dass die EFSA auch geringe Konzentrationen berücksichtigt habe: „BPA ist zwar eine hormonell aktive Substanz, doch selbst sogenannte Niedrigdosis-Effekte sind durch den (neuen) Grenzwert abgedeckt.“
„Die Bewertung der EFSA wird Grundlage für die EU-Kommission sein, die zu entscheiden hat, wie sie damit umgeht“, sagte Wölfle. Er hatte an dem EFSA-Papier mitgearbeitet. Das letzte EFSA-Gutachten zu Bisphenol A von 2010 hatte die EU-Kommission zum Verbot der Subtanz in Babyfläschchen veranlasst. BPA sei nicht kennzeichnungspflichtig.
„In Frankreich ist BPA bereits in Produkten verboten, mit denen Kinder in Berührung kommen - wie Spielzeug und entsprechenden Lebensmittelverpackungen“, sagte UBA-Experte Gies. „Das UBA und andere EU-Umweltbehörden arbeiten daran, dass die Verwendung von BPA einer Erlaubnis bedarf. Es sollte möglichst in keinen Produkten eingesetzt werden, mit denen der Mensch in Berührung kommt.“
„Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, er reicht aber nicht aus“, sagte Ann-Katrin Sporkmann vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland zum neuen Grenzwert. Nötig sei ein generelles Verbot von BPA in Materialien, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen.