Faul, dumm, unbeherrscht: Dicke sehen sich selbst oft negativ
Leipzig (dpa/tmn) - Viele Übergewichtige leiden unter gesellschaftlichen Vorurteilen und übertragen diese oft auf sich selbst. Deshalb sollten sie bewusst reflektieren, ob dieses Selbstbild auf ihren Charakter zutrifft, rät die Verhaltensmedizinerin Prof. Anja Hilbert.
Übergewichtige halten sich selbst oft für faul, unbeherrscht und dumm. Verhaltensmedizinerin Prof. Anja Hilbert vom Universitätsklinikum Leipzig rät deshalb zur Selbstreflektion. „Man muss selbst überlegen: Heißt das wirklich, dass ich faul bin?“, sagte sie. Helfen könne auch das Gespräch mit anderen Übergewichtigen, zum Beispiel in einer Selbsthilfegruppe. „Ich würde empfehlen, sich mit anderen auszutauschen und zu sehen: Wie ist das eigentlich bei denen?“
Doch auch Eltern oder Freunde können dem negativen Selbstbild eines übergewichtigen Kindes oder Freundes entgegenwirken. Sie sollten zum Beispiel hinterfragen: „Ist es wirklich so, dass Du nichts wert bist, nur weil Du jetzt soviel wiegst, wie Du wiegst?“ Oft helfe es schon, wenn sich Eltern ihre eigenen Vorurteile klarmachen, damit sie ihre Sprösslinge nicht mit diesen belasten.
Im Extremfall kann Selbststigmatisierung zu psychischen Krankheiten führen, warnt Hilbert. Besonders anfällig dafür sind Übergewichtige, die sowieso schon ein geringes Selbstwertgefühl haben. Bei ihnen ist die Gefahr anhaltender Niedergeschlagenheit, fundamentaler Selbstablehnung oder krankhafter Ängste besonders groß. Das ergab kürzlich eine Befragung von mehr als 1000 übergewichtigen Menschen unter Hilberts Leitung. Wer solche Symptome bei sich oder einem Angehörige entdeckt, sollte psychotherapeutische Hilfe in Betracht ziehen.