Fisch statt Feile - Saugbarben als Fußpflegerhelfer
Kiel(dpa) - Die kleinen Fußpfleger machen ihrem Namen alle Ehre. Sobald ein Kunde der Garra Rufa Lounge in Kiel die Füße ins 29 Grad warme Wasser taucht, stürzen die Saugbarben (Garra Rufa) auf diese zu.
Die Fischchen beginnen sofort mit ihren kleinen Mäulern zu knabbern: Unter der Fußsohle, am Spann, an den Zehen. Es kitzelt leicht, vor allem wenn die Garra Rufas versuchen, zwischen die Zehen zu gelangen. Das Gefühl ist etwas merkwürdig, aber nicht unangenehm.
Fisch-Spas und Fisch-Pediküre-Salons gibt es mittlerweile in vielen Städten, in kleineren wie Bad Schwartau und Flensburg genauso wie in Metropolen wie Berlin und Hamburg. Genaue Zahlen, in wie vielen Frisierstuben, Massage- und Schönheitssalons die Fische eingesetzt werden, gibt es nicht. „Es wird auf jeden Fall mehr“, sagt Philip-Valerius Bacher. Er betreibt seit 2011 einen Online-Versand für die ursprünglich aus der türkischen Kangalregion stammenden Tiere.
Etwas vorsichtiger in dieser Frage ist Peter Siegmann. Seine Firma züchtet Garra Rufas, bietet Seminare zu artgerechter Haltung (Sachkundenachweis) und baut die Einrichtung für Fisch-Spas. „Wie viele Spas es gibt, kann ich nicht sagen“, sagt der Berliner. Ein rasantes Wachstum sieht er ebensowenig wie einen Rückgang des Interesses. „Es wird sich entwickeln.“ Er hat bisher eine fünfstellige Zahl an Fischen verkauft, wie viele genau, verrät er nicht.
Inez Paulweber hat ihre Garra Rufa Lounge in Kiel 2011 eröffnet. Sie beschreibt den Einsatz der Roten Saugbarben als eine Art Wellness und ökologische Fußpflege - die überwiegend von Frauen nachgefragt wird. In sechs Becken schwimmen zwischen 50 bis 60 Garra Rufas mittlerer Größe. Ausgestattet sind die Glasbassins mit Filtern und Verstecken. Auf dem Boden liegt feiner Kies. „Die Fische leben darin“, sagt Paulweber. Ein Umsetzen von Haltungs- in Anwendungsbecken sei für die Tiere zu stressig, findet Paulweber.
Die größeren Tiere - Garra Rufas können bis zu 14 Zentimetern groß werden - bringt Paulweber zu sich nach Hause. „Da habe ich mein Altersheim“, sagt sie. Die Senioren sind aber noch ganz rüstig: Mit ihnen züchtet die 52-Jährige Nachwuchs für ihre Lounge. Manchmal laichen die Fische aber auch dort schon ab. Für Paulweber ein Zeichen, dass es ihnen gut gehen muss. Sonst würden die Tiere ja keine Eier legen, ist sie überzeugt.
Tierschützern ist der Einsatz der Fische zu kosmetischen Zwecken ein Dorn im Auge: Es sei Tierquälerei und bedeute für die Tiere Stress. Dieser Auffassung haben sich viele Kommunen und ihre Amtstierärzte angeschlossen. Immer wieder gibt es Streit zwischen Städten und Betreibern der Fischsalons. Oft wurde mit Verweis auf den Tierschutz verboten, die Fische gewerblich zu kosmetischen Zwecken zu halten.
Auch Gerichte haben sich schon mit dem Thema befasst. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschied beispielsweise im vergangenen Frühsommer, eine Betreiberin eines Friseursalons dürfe Fisch-Spa-Behandlungen anbieten und verstoße damit nicht gegen das Tierschutzgesetz (AZ: 16 K 5116/12).
Vor Gericht musste Paulweber nicht ziehen, aber als sie ihre Lounge eröffnen wollte, bekam auch sie Besuch vom Veterinäramt: „Die haben sich hier alles ganz genau angeguckt.“ Zudem musste sie einen Sachkundenachweis für Süßwasseraquaristik ablegen und lernen, wie man rund 200 verschiedene Fischarten artgerecht hält. Ihre Erlaubnis nach Paragraf 11 Absatz 1 des Tierschutzgesetzes zum gewerbsmäßigen Halten der Kangalfische bekam sie dann ohne Probleme. Gerahmt hängt die Urkunde im Salon.
Bevor die Füße ins Becken dürfen, werden sie gereinigt; Hautcreme und Kosmetika sind schädlich für die Fischchen. Zudem müssen Menschen, die beispielsweise HIV, Hepatitis oder einen anderen ansteckenden Erreger in sich tragen, vorsorglich vielerorts auf die Fischpediküre verzichten. So soll auf jeden Fall verhindert werden, dass Krankheitserreger übertragen werden. Zudem wird das Wasser üblicherweise über starke Pumpen und UV-Filter entkeimt, um Krankheitserregern keine Chance zu lassen.
Kunden mit Hautkrankheiten wie Schuppenflechte (Psoriasis) oder Neurodermitis dürfen ihre Füße aus hygienischen Gründen in Kiel nicht in das Becken mit den Fischen halten. Dabei sollen die Fische auch bei diesen Krankheiten Linderung verschaffen. Auch einige Fischtherapieanbieter gibt es in Deutschland, zumeist sind es Heilpraktiker.
Die Schulmedizin steht dieser Art der Behandlung skeptisch gegenüber. „Uns sind zurzeit keine ärztlichen Anwender dieser Methode bekannt“, sagt der Sprecher des Bundesverbandes der Deutschen Dermatologen, Ralf Blumenthal. Evaluiert oder gar studienmäßig auf Evidenz überprüft worden seien die Darstellungen zu Therapieerfolgen nicht. Im optimalen Fall könnten die Knabberfische beim Abschuppen helfen, „vielleicht auch ein „gutes Gefühl“ vermitteln, niemals aber eine nachhaltige Behandlung darstellen“, ist Blumenthal überzeugt.