Food-Saver retten Essen vor dem Müll
Nürnberg (dpa) - Der Urlaub steht bevor, aber der Kühlschrank ist proppenvoll - und auf dem Herd steht auch noch der halbe Topf Suppe vom Vortag: Die Initiative Foodsharing hat sich diese Fälle zur Aufgabe gemacht.
In sogenannten Fair-Teilern - öffentlich zugänglichen Kühlschränken oder Regalen - kann das Essen abgegeben werden. Dort bedienen kann sich dann jeder. Eine Win-win-Situation, finden die Mitglieder der Initiative: Der Spender muss kein schlechtes Gewissen haben, der Empfänger freut sich über Gratis-Lebensmittel.
Bundesweit gibt es laut Frank Bowinkelmann, Sprecher der Initiative Foodsharing, rund 100 Fair-Teiler. Etwa 13 500 Ehrenamtliche engagieren sich als Food-Saver, also Essensretter. Sie holen seit 2012 bei den Partnerbetrieben Lebensmittel ab, die nicht mehr verkauft werden können, aber noch genießbar sind. Knapp vier Tonnen Lebensmittel sollen so schon vor dem Müll bewahrt worden sein.
Ein Riesen-Batzen davon auch in Mittelfranken, wo es rund ein Dutzend Fair-Teiler gibt. Die dortigen Mitglieder wollen nicht nur Essen vor dem Wergwerfen bewahren, sondern auch soziale Kontakte knüpfen. Bei monatlichen Schnippelpartys treffen sie sich und kochen gemeinsam aus „geretteten“ Lebensmitteln ein Essen. Dazu gibt es unter anderem einen 24-Stunden-Fair-Teiler bei einem Nürnberger Café und wöchentliche Verteil-Aktionen an einem Kulturzentrum.
Auf Facebook wird bekanntgegeben, wo es etwas zu holen gibt. „Verschenke zwei Fertig-Lasagnen. Hat mein Freund mitgebracht. Mir schmecken die nicht“, schreibt ein Mitglied des Nürnberger Foodsharing-Ablegers. Eine Vegetarierin will Würstchen der letzten WG-Party loswerden. Auch Beautyprodukte und Katzenfutter sind im Angebot.
„Innerhalb von zwei Stunden sind die Sachen meist weg, wenn sie in den Fair-Teilern liegen“, sagt Gabi Kaffka-Hummel, die die Nürnberger Initiative betreut. „Es sind immer wieder Überraschungen dabei, das ist eigentlich jedes Mal ein Wahnsinn“, berichtet die 52-Jährige. Als neulich ein alter Tante-Emma-Laden dicht machte, durften die Food-Saver ihn ausräumen.
Ansonsten sind die Partner neben etlichen Privathaushalten Kleinbetriebe wie Naturkostläden und Bäckereien. Auch Supermärkte sind je nach Filialleitung dabei, wobei sich die meisten Ketten den Tafel-Organisationen verschrieben haben, die Essen an Bedürftige abgeben. „Die Tafeln sind vorrangig. Wir wollen keine Konkurrenz sein“, betont Kaffka-Hummel. Die Food-Saver würden auch noch Ausschussware nehmen, die die Tafel nicht mehr akzeptiere.
Im südlichen Mittelfranken hat die Foodsharing-Bewegung inzwischen auch einige Bauern als Partner gefunden. Acht Landwirte überließen den engagierten Lebensmittelrettern regelmäßig Kartoffeln, Karotten, Zwiebeln, Salat und Gurken - Erzeugnisse, die nicht der Norm entsprechen und sich deshalb nicht vermarkten ließen, berichtet Brigitte Adelmann. Die 59-Jährige organisiert die Abholung und Verteilung der vom Unterpflügen bedrohten Agrarerzeugnisse zwischen Schwabach und Weißenburg.
Für Adelmann ist Foodsharing Weltanschauung und Lebensmodell zugleich. Sie hält es für eine „Schande, dass Lebensmittel, in die Menschen bei der Erzeugung viel Energie reinstecken, einfach untergeackert werden“. Sei selbst lebt die von ihr propagierte Wertschätzung von Lebensmitteln konsequent: „Mein Mann und ich haben seit Mai 2013 keine Lebensmittel mehr gekauft“, berichtet sie. Bei dem in Windsbach lebenden Ehepaar kommt auf den Tisch, was in den Fair-Teiler-Regalen ausgelegt ist. „Monatlich sparen wir so 350 Euro.“
Der Kampf gegen Lebensmittel-Verschwendung ist in jüngster Zeit immer wieder ein Thema. Der Verein „Restlos glücklich“ betreibt von April an sogar ein ganzes Restaurant in Berlin, in dem aufgetischt wird, was Bio-Händler wegwerfen würden. Den Lebensmittel-Rettern von Foodsharing bereitet ein Fall aus Berlin allerdings etwas Magengrummeln. Dort stellen Behörden nun Anforderungen an die Fair-Teiler, um Nutzer vor möglichen Gesundheitsgefahren zu schützen. Kontrolleure hatten den Angaben zufolge unhygienische Zustände vorgefunden: unverpacktes Brot oder aufgerissene Sprossen-Packungen.
„Die Aufsteller werden als Lebensmittelunternehmer gesehen“, erklärt Bowinkelmann. Deshalb gälten strenge Auflagen. Einige Kühlschränke sind bereits geschlossen. „Die sind da sehr stur in unseren Augen. In ganz Deutschland wird das anders gesehen, nur in Berlin versteift man sich jetzt drauf“, klagt er. Sein Kompromissvorschlag: Mit einem Zahlenschloss wären die Kühlschränke nicht mehr frei zugänglich, so dass man wieder laschere Regeln walten lassen könnte.