Gesundheit Forscher: Grippeimpfung auch für Kinder sinnvoll
Riga (dpa) - Mit der kalten Jahreszeit beginnt wieder die Grippesaison. Zum Schutz vor einer Ansteckung wird eine Grippeimpfung standardmäßig für ältere Menschen und chronisch Kranke empfohlen. Doch auch für Kinder kann sie angebracht und sinnvoll sein.
Das erklärte der finnische Grippeforscher Timo Vesikari von der Universität Tampere der Deutschen Presse-Agentur dpa am Rande einer internationalen Grippekonferenz in Riga. Das Robert Koch-Institut in Berlin sieht keinen Anlass, von derzeitigen Impfempfehlungen abzuweichen.
„Kinder sind in besonderem Maße von der Grippe betroffen. Deshalb ist es wichtig, sie zu impfen“, sagte Vesikari. Nur so könnten sie vor verschiedenen möglichen Komplikationen geschützt werden. Zudem würden damit auch andere Personengruppen geschützt. „Kinder sind die Hauptüberträger des Virus innerhalb der Gesellschaft“, sagte Vesikari.
Der Wissenschaftler stellte auf der Konferenz in Riga das Ergebnis einer Studie mit gut 10.000 Kindern im Alter zwischen sechs Monaten und fünf Jahren vor. Davon bekam eine Hälfte einen herkömmlichen Impfstoff und die andere einen Impfstoff mit dem Adjuvans (Wirkverstärker) MF59 verabreicht. „Das Ergebnis war, kurz gesagt, dass der adjuvantierte Impfstoff für die Altersgruppe 6 bis 24 Monate besser war. Für ältere Kinder ergab er jedoch keinen zusätzlichen Vorteil“, sagte Vesikari über die von ihm gemeinsam mit Wissenschaftlern aus Finnland, den USA, den Philippinen und des Impfstoffherstellers Seqirus durchgeführten Studie.
Die sogenannte Phase-III-Studie wurde während der Grippesaison 2013/2014 und 2014/2015 in neun Ländern durchgeführt. Dabei zeigten beide Impfstoffe ein ähnliches Sicherheitsprofil. Für die Kleinkinder zeigte das Vakzin mit Verstärker den Ergebnissen zufolge aber eine höhere Wirksamkeit.
„Wir waren vom Ergebnis etwas enttäuscht: Der adjuvantierte Impfstoff zeigt gegenüber herkömmlichen Impfstoffen keinen Vorteil bei Kindern, die älter als zwei Jahre sind“, erläutert Gerhard Falkenhorst vom Robert Koch-Institut, das im Auftrag der Bundesregierung insbesondere Infektionskrankheiten erforscht und bekämpft. Im Grunde treffe die Studie sogar nur für das Influenza A/H3N2-Virus eine belastbare Aussage. Andere Influenzaviren seien während der Studiendauer so selten aufgetreten, dass man nicht beurteilen könne, ob der neue Impfstoff auch bei ihnen Vorteile bietet.
Grippe-Schutzimpfungen für Kinder sind international umstritten. Einige Länder wie Lettland und Vesikaris Heimatland Finnland empfehlen, Kleinkinder generell zu impfen. In Deutschland wird eine Impfung für Kinder und Jugendliche nur dann empfohlen, wenn sie erhöhte Risiken aufweisen - etwa aufgrund chronischer Krankheiten.
„Eine flächendeckende Grippe-Schutzimpfung von Kindern kann über den individuellen Schutz hinaus auch die Ansteckungsgefahr für Erwachsene reduzieren“, so Falkenhorst. Dafür müssten aber weniger die bis Fünfjährigen, sondern vor allem Schulkinder geimpft werden, weil diese die Viren besonders stark verbreiteten.
Für gezielte Impfkampagnen, wie sie beispielsweise an britischen Schulen durchgeführt würden, seien Lebendimpfstoffe mit abgeschwächten Viren besonders vorteilhaft, erklärte der RKI-Experte. Man könne sie als Nasenspray verabreichen, während der neue adjuvantierte Impfstoff wie andere herkömmliche Impfstoffe gespritzt werden müsse. Allerdings gebe es bei den Lebendimpfstoffen zur Zeit noch offene Fragen zur Wirksamkeit gegen den besonders häufigen Virustyp A/H1N1, der zusammen mit A/H3N2 der häufigste Virustyp sei.
Einen hundertprozentigen Schutz vor Grippe gibt es nach Angaben von Vesikari ohnehin nicht. Auch sei eine Ausrottung der Viren „niemals“ möglich. Dazu müsse man die gesamte Bevölkerung jedes Jahr schützen, was schlicht nicht möglich sei. Deshalb gebe es aus seiner Sicht keine bessere Alternative, als die Menschen jedes Jahr zu impfen.
Der saisonale Grippeimpfstoff setzt sich jeweils aus Bestandteilen der weltweit am stärksten zirkulierenden Influenza-Typen zusammen. Dabei gebe es immer Unwägbarkeiten, da sich Grippeviren ständig veränderten. „Man kann immer versuchen, zu erraten, welche Grippestämme im Umlauf sein werden. Die meiste Zeit aber liegen die Vermutungen falsch“, sagte Vesikari. Niemand könne vorhersagen, wie viele Erkrankungsfälle es in der anstehenden Grippesaison geben wird.
Ein Einflussfaktor sei das Wetter. „Ein kalter Winter bedeutet in der Regel einen kurzen und hohen Anstieg der Grippefälle auf einen Scheitelpunkt“, erklärte Vesikari. In milden Wintern dagegen könnten wie in der vergangenen Grippesaison auch spät im Frühjahr noch neue Erkrankungen auftreten. Welcher Verlauf der epidemiologischen Kurve besser sei, lasse sich nicht sagen.