Forscher: Implantate gefährden tausende Patienten
Berlin (dpa) - Mehrere tausend Frauen allein in Deutschland waren vom Skandal um Brustimplantate aus billigem Silikon betroffen. Doch auch Herzschrittmacher und andere Medizinprodukte haben Risiken.
Tausende Patienten in Deutschland sind nach Einschätzung des Bremer Gesundheitsforschers Gerd Glaeske durch fehlerhafte oder riskante Medizinprodukte gefährdet. In den Körper einsetzbare künstliche Gelenke, Stents, Herzschrittmacher oder Brustimplantate seien zu wenig getestet, sagte Glaeske bei der Vorstellung des neuen Heil- und Hilfsmittelreports der Krankenkasse Barmer GEK am Mittwoch (18. September) in Berlin. „Wir haben Probleme zuhauf.“
Bekannt seien etwa Fälle, in denen Metallabrieb von künstlichen Gelenken das Blut verunreinige. Andere Patienten würden mit untauglichen Herzschrittmachern alleingelassen: Der Hersteller sage, die Defibrillationselektrode könne wieder entfernt werden - die deutsche kardiologische Gesellschaft warne davor. Insgesamt seien viele Patienten durch diese Produkte gefährdet. „Es sind nicht Einzelfälle, es sind Tausende“, sagte Glaeske.
Die Produkte würden zwar von privaten Organisationen zertifiziert, aber eine substanzielle Prüfung wie bei Arzneimitteln fehle. Der Vize-Chef der Barmer GEK, Rolf-Ulrich Schlenker, sagte: „Wir fordern für Medizinprodukte ein einheitliches europäisches zentralisiertes Zulassungsverfahren.“
Auch der Chef des unabhängigen Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln, Jürgen Windeler, forderte, offizielle Prüfungen der Arzneimittel auf Herzschrittmacher, Implantate oder Prothesen auszudehnen. „Ob sie den Patienten auch helfen, wird nicht bewertet“, sagte Windeler der „Welt“.
Insgesamt brauchen laut Report immer mehr Menschen in Deutschland Heil- und Hilfsmittel wie Hörgeräte, Anzieh- und Greifhilfen, Physiotherapien oder Einlagen. Die Ausgaben der gesetzlichen Kassen dafür seien im vergangenen Jahr um mehr als zwei Prozent auf 11,5 Milliarden Euro gestiegen. In diesem Jahr wird von einer deutlich größeren Steigerung ausgegangen.
Schlenker rief die Versicherten auf, sich nicht zu teureren Hörgeräten als nötig überreden zu lassen. 500 000 gesetzlich Versicherte hätten allein 2012 neue Hörgeräte bekommen. Der Festbetrag, den die Kasse übernimmt, steigt im November von rund 454 auf 785 Euro. „Die Preise, die wir jetzt bezahlen, spiegeln den modernsten Stand der Technik wider“, sagte Schlenker. Die Versicherten sollten sich Kostenvoranschläge geben lassen, bei Zweifeln einen Zweiten Akustiker aufsuchen und sich nicht leichtfertig zu Fernbedienungen oder Bluetooth überreden lassen.
Schlenker wies darauf hin, dass das Hilfsmittelverzeichnis mehr als 30 000 Produkte umfasse. „Der Markt ist intransparent.“ Der Report ergab etwa, dass die Zahl der Menschen mit künstlichem Darm- oder Harnblasenausgang mit 160 000 weit höher liegt als bisher geschätzt.