Glückliches Österreich: Marillenknödel aus alter Tradition
Wien (dpa/tmn) - Marillenknödel müssen dick mit Butterbröseln paniert sein. So wollen es die Österreicher. Der Knödelklassiker der Alpenrepublik ist ein Import aus Böhmen. Die einstige Luxusspeise und spätere Hausmannskost steht heute unter kulinarischem Denkmalschutz.
Herrlich flaumig, in goldgelben Butterbröseln gewendet, mit Zucker bestäubt und einer vollreifen Aprikose als süßes Innenleben - das ist für Österreicher ein gelungener Marillenknödel. Die süßen Klöße stehen in der Alpenrepublik sozusagen unter Denkmalschutz. Sie zählen zu den Küchenklassikern, deren Rezepturen in einem Safe der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien lagern - um sie der Nachwelt zu erhalten. Die Süßspeise gehört noch immer bei vielen Österreichern zum wöchentlichen Knödeltag oder ist ein beliebtes Dessert.
Dem Verein Kulinarisches Erbe Österreich in Wien ist zu verdanken, dass die Historie des Knödels, auch des Marillenknödels, kein Geheimnis mehr ist. „Im 18. und 19. Jahrhundert hielt die böhmische Küche Einzug in Österreich. Zu dieser Zeit standen viele Köchinnen aus Böhmen im Dienste Wiener Bürgerhäuser“, erklärt Sylvia Sedlnitzky, Vorstandsmitglied des Vereins. „Sie brachten ihre Rezepte mit, unter anderem für süße Fruchtknödel.“
Die Zutaten für die „knedlsk“ aus Kartoffelteig, in Zucker und Zimt gehüllt, waren im 18. Jahrhundert sehr kostspielig. Erst nach 1800, als Zucker durch Gewinnung aus Zuckerrüben billiger und Kartoffeln zum Grundnahrungsmittel wurden, spielte der Marillenknödel in der Alltagsküche eine Rolle. „Ab Mitte des 19. Jahrhunderts finden sich Zwetschgen- und Marillenknödel aus Erdäpfel-, Topfen- oder Strudelteig in heimischen Kochbüchern“, sagt die Expertin. In einem Kochbuch von 1880 zählen die süßen Klöße bereits zu den „ordinären Mehlspeisen“. Später gelten sie als einfache Hausmannskost.
Was in Österreich, Südtirol und Teilen Bayerns Marille heißt, ist für Nordlichter eine Aprikose. Der Ausdruck „Marille“ geht nach Angaben des Wachauer Marille Vereins wohl auf die italienische Bezeichnung „armellino“ zurück, die sich vom botanischen Namen der Frucht „Prunus armeniaca“ ableitet. Da die Aprikose schon in der Antike in Armenien angebaut wurde, hielt man dies lange für ihre Ursprungsregion. Die Frucht stammt aber aus China. Als besonders aromatisch gelten inzwischen Marillen aus der Wachau in Niederösterreich.
Konditormeister Dietmar Fercher aus Wien hat viele Stammkunden, die für ihren wöchentlichen Knödeltag am Freitag den Klassiker bei ihm vorbestellen. Der Meister seines Fachs bevorzugt für die Klöße den Topfen-, sprich Quarkteig: „Die Säure des Topfens passt für mich gut zur leichten Säure der Marille.“ Für einen Erdäpfelteig brauche man gut abgelagerte Kartoffeln. „Wenn sie zu frisch sind, hat der Teig keinen Halt. Der Knödel zerfällt.“
Auch im „Landhaus Bacher“ in Mautern an der Donau macht Lisl Wagner-Bacher die Marillenknödel aus Topfenteig: „Weil er gut haltbar, leicht und bekömmlich ist.“ In der Wachau geht nichts ohne die Fruchtknödel. „Sie sind eines unserer meistverkauften Desserts“, sagt die Spitzenköchin.
Für den Teig rührt Fercher Butter, abgeriebene Zitronenschale, Salz, Vanillezucker und ein Ei mit einem Viertel der Quarkmenge schaumig. Den restlichen Topfen hebt er vorsichtig nach und nach mit einem Schneebesen unter die Masse: „Nicht zu stark rühren, sonst wird der Topfen zu flüssig.“ Erst zum Schluss kommt das Mehl dazu: „Das Ganze wird jetzt ziemlich kompakt.“
Wagner-Bacher formt ihren Teig zu einer Rolle von etwa sieben Zentimeter Durchmesser, wickelt ihn in Folie und lässt ihn mindestens drei Stunden im Kühlschrank ruhen. Auch Fercher gönnt seinem Teig Ruhe: „Dadurch zieht die Butter an, und der Kleber des Mehls kann wirken.“ In der Zwischenzeit werden die Früchte vorbereitet. Gut gereifte Marillen müssen es sein, da sind sich die Experten einig. Mit einem Kochlöffelstiel wird der Kern vorsichtig aus der Frucht gedrückt und durch ein Stück Würfelzucker ersetzt.
Hat der Teig genug geruht, entfernt Fercher die Folie, schneidet passende Teigstücke ab, schlägt die Marillen damit ein und formt mit nassen Händen Knödel. Danach geht es vorsichtig ins siedende Wasser, das leicht gesalzen ist: „Sonst würde der Topfen fade schmecken. Ich gebe auch noch Vanillezucker dazu.“ Die Knödel sollten schwimmen und im siedenden Wasser ziehen, bis die Frucht gar ist. „Wenn der Knödel nach oben steigt, ist der Teig fertig. Aber es ist nicht gesagt, dass die Marille durch ist. Ich koche mir zuvor immer einen Probekloß.“
Nichts geht beim Marillenknödel ohne Butterbrösel, lieber mehr als zu wenig: „Die Knödel müssen schon vollständig damit paniert sein“, sagt Fercher. Wenn die Brösel in der heißen Butter Farbe annehmen, dann nimmt er sie vom Feuer und gibt vorsichtig Kristallzucker, Vanillemark sowie Zimt dazu. Serviert wird das Ganze mit einem Marillenschaum aus weichen Früchten. Bacher-Wagner kredenzt die Knödel ihren Gästen auf Wunsch mit zerlassener Butter.