Herzstillstand: Prüfen, rufen, drücken kann Leben retten
Bei einem Herzstillstand zählt jede Minute. Ein Experte erklärt, wie jeder schnell handeln kann, um Leben zu retten.
Münster. Die Wiederbelebungsquote in Deutschland ist zu niedrig: Nur etwa jeder Sechste packt bei einem Herzstillstand sofort an. In Skandinavien sind es 71 Prozent. Im Interview fordert der Leiter der Klinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin an der Uniklinik Münster, Hugo Van Aken, die Abkehr von alten Regeln.
Warum plädieren Sie dafür, bei der Wiederbelebung auf die Mund-zu-Mund-Beatmung zu verzichten?
Hugo Van Aken: Dieser Teil der Wiederbelebung bedeutet für viele Menschen ein großes Hindernis. Die Menschen ekeln sich. Und da wir in Deutschland eine zu geringe Quote bei der Wiederbelebung haben und im Europavergleich Schlusslicht sind, müssen wir möglichst viele Hemmnisse abbauen. Wir wollen, dass die Menschen nach dem Dreisatz „Prüfen, Rufen, Drücken“ handeln. Damit werden die Minuten abgedeckt, bis der Notarzt kommt.
Aber braucht der Körper die zusätzliche Gabe von Sauerstoff nicht?
Van Aken: Zu Beginn ist noch genügend Sauerstoff im Blut und in den Lungen vorhanden, außer bei Ertrunkenen. Die Herzdruckmassage hält den Kreislauf — und damit die Versorgung mit Sauerstoff — erst einmal in Schwung. Wichtig dabei ist, dass keine Zeit verloren geht. Nachdem der Ersthelfer geprüft hat, ob ein Herzstillstand vorliegt, muss er sofort die 112 anrufen, um dann lückenlos mit der Herzmassage zu beginnen. Wer die Mund-zu-Mund-Beatmung machen will, sollte das auch weiterhin tun.
Was sind die klassischen Fehler bei der Herzdruckmassage?
Van Aken: Viele haben Angst vor juristischen Folgen. Das ist typisch deutsch. Und viele drücken nicht fest genug. Bei der Herzdruckmassage darf ruhig mal eine Rippe brechen oder auch das Brustbein. Das passiert bei älteren Menschen häufiger. Davon erholen sich die Opfer wieder. Sie sterben aber oder behalten Hirnschäden, wenn nicht schnell genug reagiert wird. Das Herz schafft 20 Minuten ohne Versorgung mit Sauerstoff, das Gehirn aber nur drei bis fünf Minuten. Faustregel sind 100 Druckmassagen pro Minute. Das ist anstrengend und richtige Arbeit.
Wie viele Menschenleben könnten gerettet werden, wenn wir Deutschen nicht so ängstlich wären?
Van Aken: 70 000 Reanimationen pro Jahr sind in Deutschland erfolglos. Durch Laienreanimation steigt die Überlebensrate von zehn auf 18 Prozent. 5600 Menschen würden damit gerettet. Zum Vergleich: Im Straßenverkehr gibt es im Jahr 3200 Verkehrstote.
Können Defibrillatoren eine Hilfe sein?
Van Aken Ich bin ein strikter Gegner dieser Schockgeber in der Laienreanimation. Bis sie gefunden werden und dann alles passt, vergeht zu viel Zeit und die Laien vergessen in dem Moment, die Herzdruckmassage durchzuführen. Sie sind mit Technik beschäftigt, die ihnen nicht vertraut ist.