Studie aus Österreich Intensivstation: Wochenend-Einlieferung erhöht Sterberisiko

Wien (dpa) - Patienten, die am Wochenende auf eine Intensivstation kommen, sterben mit höherer Wahrscheinlichkeit im Laufe ihres Klinikaufenthalts - zumindest in Österreich. Das schreiben Forscher um den Notfallmediziner Paul Zajic von der Medizinischen Universität Graz im Online-Fachjournal „Critical Care“.

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Warum das so ist, könne die Studie nicht im Detail klären. Mögliche Gründe für den „Wochenend-Effekt“ seien eine schlechtere personelle Ausstattung und ein höheres Arbeitspensum.

Die österreichischen Forscher legen Wert darauf, dass ihre Ergebnisse nicht zwangsläufig auf andere Länder übertragbar seien. Ein deutscher Notfallexperte und eine Patientenschützerin sehen aber auch bei kleineren Krankenhäusern in Deutschland ähnliche Probleme.

Das Team um Zajic hatte in einer Analyse die Daten von rund 147.000 Patienten ausgewertet, die zwischen 2012 und 2015 auf 119 österreichischen Intensivstationen behandelt wurden. Rund 57 Prozent dieser Patienten waren Männer, der Altersschnitt lag bei 68 Jahren. Rund 17 Prozent der Patienten - knapp 26.000 Männer und Frauen - kamen am Wochenende auf die Intensivstation.

Insgesamt starben knapp 14.000 der erfassten Patienten noch während ihres teils mehrtägigen Aufenthalts auf der Intensivstation. Menschen, die an einem Wochentag eingeliefert wurden, traf es dabei deutlich seltener. So waren es bei Patienten, die an einem Mittwoch aufgenommen wurden, rund acht Prozent. Bei Einlieferung an einem Samstag oder Sonntag waren es jeweils mehr als 13 Prozent.

Gleichzeitig ist der Anteil der Patienten, die am Wochenende auf der Intensivstation sterben, geringer als an Wochentagen. Das könnte den Forschern zufolge damit zusammenhängen, dass Patienten seltener am Wochenende von der Intensivstation entlassen werden. Dadurch liegen dort am Samstag und Sonntag auch Menschen, deren Sterberisiko vergleichsweise gering ist.

Für Deutschland gebe es bislang keine vergleichbare große Untersuchung zum Wochenend-Effekt auf Intensivstationen, sagt Ruth Hecker, Vize-Vorsitzende des Aktionsbündnisses Patientensicherheit. „Wir müssen jetzt in Ruhe schauen, was auf Deutschland übertragbar ist und was nicht.“

Einige Begründungen aus der österreichischen Studie - wie beispielsweise die schlechtere Personalausstattung am Wochenende - lassen sich laut Hecker auf Deutschland übertragen. Belege für höhere Sterberaten bei Patienten, die am Wochenende auf die Intensivstation kommen, gebe es aber nicht.

Das Aktionsbündnis fordert, dass auf Intensivstationen an jedem Tag und zu jeder Uhrzeit eine Pflegefachkraft auf zwei Patienten kommt. Bei besonderen Fällen wie schweren Verbrennungen sei sogar ein Betreuungsverhältnis von 1:1 nötig. „Das ist nicht in allen Kliniken Standard - vor allem an den Wochenenden nicht“, sagt Hecker. Vor allem in kleineren Krankenhäusern sei am Wochenende auch nicht zu jedem Zeitpunkt ein Facharzt auf der Intensivstation verfügbar.

Hecker sagt aber auch: „Jeder, der heute eine Klinik betritt oder auf eine Intensivstation kommt, wird deutlich besser betreut als vor 15 Jahren.“ So seien die Ärzte im Schnitt kompetenter, die Ausstattung moderner und die Therapien besser.

André Gries, der sich bei der Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin speziell mit Notaufnahmen in Deutschland beschäftigt, sieht Probleme auch eher bei kleineren Krankenhäusern. „In manchen Häusern gibt es zwei Aggregatzustände: werktags und außerhalb des Werktags. Dort könnten wir auch Unterschiede aufgrund der Einlieferungszeit erkennen, denke ich.“

Gries zufolge, der ärztlicher Leiter der zentralen Notaufnahme im Universitätsklinikum Leipzig ist, seien zwar große Krankenhäuser und Universitätskliniken zu jeder Uhrzeit gut besetzt, kleinere Häuser hätten aber häufiger mit Personalengpässen zu kämpfen. Generell seien Fach-Experten anderer Abteilungen zu Randzeiten schwieriger zu erreichen.

Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenkassen (GKV) nahm die Studienergebnisse zum Anlass, eine grundlegende Reform der Notfallversorgung in Deutschland zu fordern. „Wo und auf welchem medizinischen Niveau in Deutschland ein Notfall versorgt wird, ist häufig von Zufällen geprägt“, erklärte Florian Lanz, Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, am Freitag. Faktoren seien zum Beispiel, welche Klinik auf dem Weg des Krankenwagens liege, welcher Facharzt gerade Dienst habe und ob sich überhaupt eine geöffnete Bereitschaftspraxis finde.

„Wir brauchen eine Neustrukturierung der Notfallversorgung und zwar schnell“, so Lanz. Das sei eine zentrale Reformaufgabe für die neue Legislaturperiode.