Jetzt 39 EHEC-Tote - Warnung vor Sprossen bleibt
Berlin/Frankfurt (dpa) - Die Zahl der EHEC-Todesopfer steigt, doch die Ursache für den Ausbruch ist nach wie vor unklar. „Die heißeste Spur sind weiterhin die Sprossen“, sagte Miriam Ewald, Sprecherin des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR), am Donnerstag.
Deshalb rät die Behörde noch immer vom Verzehr roher Sprossen ab. Auch selbstgezogene Pflanzen und Keimlinge sollen nicht gegessen werden. Denn auch das Saatgut bleibt im Verdacht, mit dem Erreger belastet zu sein. Die Warnung vor Sprossen werde erst aufgehoben, wenn sich die Quelle für den Ausbruch findet oder es keine Neuinfektionen mehr gibt, ergänzte Ewald.
Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) starben in Deutschland bisher mindestens 38 Menschen durch die Epidemie. 25 von ihnen hatten die schwere Komplikation HUS (hämolytisch-urämisches Syndrom), die Nieren und Nervensystem schädigt. Auch in Schweden starb ein Mensch. Aus welchem Bundesland das 38. Todesopfer in Deutschland stammt, konnte das Institut zunächst nicht sagen.
Seit Anfang Mai sind laut RKI bundesweit bisher 3304 EHEC-Fälle bekannt, davon 786 mit dem schweren HUS-Verlauf. Die Zahl der Neuinfektionen ging in den vergangenen Tagen aber spürbar zurück. Von Mittwoch auf Donnerstag kamen bundesweit nur 48 EHEC-Fälle dazu.
In den Jahren zuvor hatte das RKI jeweils zwischen 800 und 1200 Fälle von EHEC und rund 60 HUS-Erkrankungen in Deutschland gezählt. Seit der Einführung der Meldepflicht 2001 starben pro Jahr durchschnittlich zwei bis drei Menschen an HUS.
Mediziner gehen davon aus, dass einige HUS-Patienten dauerhaft unter Nierenschäden leiden werden. Es bestehe die Gefahr, dass sie weiterhin auf die Dialyse angewiesen seien oder ein Spenderorgan brauchten, sagte der Nierenspezialist und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie, Prof. Reinhard Brunkhorst.
Der Hamburger Psychologe Frank Schulz-Kindermann warnte vor den seelischen Folgen einer EHEC-Infektion. Die Krankheit könne zu depressiven Verstimmungen, Ängsten und Panikattacken führen, sagte der Experte des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf.
Dass die genaue Ursache der Epidemie nicht schnell gefunden wird, ist bei EHEC nicht ungewöhnlich. Rund 75 Prozent der Ausbrüche wurden nach BfR-Angaben in der Vergangenheit nicht aufgeklärt. Alle verdächtigen Lebensmittel außer den Sprossen führten die Experten bisher in eine Sackgasse. Auf spanischen Gurken und Salat in Bayern fanden sich zwar EHEC-Erreger, aber nicht der grassierende Typ.
In Hessen wurde am Donnerstag ein Hof wegen EHEC auf Salat geschlossen - auch hier handelt es sich aber nicht um den aggressiven Typ. Der Erreger gelangte vermutlich mit verunreinigtem Wasser auf den Salat. Das Gemüse des Betriebes werde mit Wasser aus einem Brunnen gewaschen, sagte Geschäftsführer Steffen Gerlach.
Der Gurkenfund in einer Magdeburger Mülltonne in der vergangenen Woche enthielt zwar den lebensbedrohlichen EHEC-Typ O104:H4. Das Ergebnis sei für eine Weiterverfolgung aber nicht verwertbar, erläuterte BfR-Sprecherin Ewald. Denn die Gurke sei kein Lebensmittel mehr gewesen, sondern ein Abfallprodukt. So sei unklar geblieben, zu welchem Zeitpunkt der Erreger sich dort breit gemacht hatte.
In Deutschland haben Labore bis zum Mittwoch rund 9400 Lebensmittel-Proben auf EHEC untersucht. Zwei Drittel der Proben entfielen dabei auf amtliche Untersuchungen, ein Drittel entstamme Eigenkontrollen der Wirtschaft, sagte Nina Banspach, Pressesprecherin des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Auch das BfR hat in seinem Labor inzwischen mehrere hundert Proben unter die Lupe genommen - entweder als Bestätigung für die Bundesländer oder aber als Erstuntersuchung.
Neben Sprossen würden weiterhin auch andere Lebensmittel auf EHEC untersucht, berichtete Sprecherin Ewald. Doch auch zum Sprossen-Saatgut führt bisher keine definitive Spur. Der Verdacht sei in Gesprächen mit Mitarbeitern des inzwischen geschlossenen niedersächsischen Betriebs entstanden, nicht durch Analysen, sagte sie. Die niedersächsischen Behörden forschten aber weiter.
Das Thema EHEC dominierte unterdessen den Ruder-Weltcup in Hamburg. Mehrere ausländische Teams hatten ihre Teilnahme aus Angst vor dem Keim abgesagt. Bei den Organisatoren stieß das auf Unverständnis.