Kassen zahlen Entfernung von PIP-Implantaten bedingt
Berlin/Bonn (dpa) - Frauen in Deutschland sollen sich ihre Billig-Brustimplantate entfernen lassen. Aber wer zahlt das? Es sind die Kassen - auf viele Betroffene können dennoch Kosten zukommen.
Die Entfernung minderwertiger Brustimplantate zahlen die Krankenkassen in Deutschland - allerdings mit Einschränkungen. Letzteres betrifft Frauen, die sich die Silikonkissen bei Schönheitsoperationen haben einsetzen lassen.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hatte am Freitag (6. Januar) betroffenen Frauen geraten, sich die aus Frankreich stammenden Implantate herausoperieren zu lassen. Denn auch ohne Risse könnte gesundheitsgefährdendes Silikon austreten.
„Wenn eine Gesundheitsgefahr besteht, hat ein Patient Anspruch gegenüber der Kasse, dass die Kosten übernommen werden“, sagte eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums am Sonntag der Nachrichtenagentur dpa. Das gelte grundsätzlich für Implantate, die aus medizinischen oder ästhetischen Gründen eingesetzt worden sind. „Nach dem Sozialgesetzbuch können die Kassen allerdings prüfen, wie der Patient im Einzelfall zu beteiligen ist.“ Dies dürfte Frauen betreffen, die die Implantate im Zuge reiner Schönheitsoperationen bekommen haben.
Der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bestätigte, dass die Kosten übernommen werden. Er interpretierte die Passage im Sozialgesetzbuch aber anders: Demnach müssen Patientinnen, die die Implantate aus rein ästhetischen Gründen erhielten, an den Kosten beteiligt werden. Schönheitsoperationen seien lukrativ für Ärzte, sagte Sprecher Florian Lanz. „Wir fordern die Ärzte auf, ihre Patientinnen mit den Folgekosten ihres ärztlich-unternehmerischen Handelns jetzt nicht alleine zu lassen.“
Weltweit sollen zwischen 400 000 und 500 000 Frauen minderwertige Silikonkissen der französischen Firma Poly Implant Prothèse (PIP) erhalten haben. Die Vermarktung, den Vertrieb und die weitere Verwendung der Brustimplantate hatte Frankreich dem Unternehmen bereits im April 2010 europaweit untersagt. PIP-Gründer Jean-Claude Mas gab in Vernehmungen auch zu, den TÜV Rheinland in dem Skandal getäuscht zu haben. Ein Zusammenhang zwischen den Silikonkissen und Krebs wird befürchtet, bewiesen ist er aber nicht.
Staaten reagierten unterschiedlich: Australien empfahl Frauen mit Billig-Brustimplantaten, sich bei einer Hotline zu informieren. Gesundheitsministerin Nicola Roxon betonte am Samstag aber, dass es kein deutlich erhöhtes Risiko durch die Silikonkissen gebe. Sie wiesen nicht häufiger Risse auf als andere Implantate. Ähnlich hatte sich zuvor Großbritannien geäußert.
Deutschland hatte bereits am Freitag Frauen aufgrund neuer Meldungen von Ärzten zu einer Entfernung der minderwertigen Silikonkissen geraten. „Das Silikon tritt aus, obwohl die Hülle intakt ist“, erläuterte BfArM-Sprecher Maik Pommer am Samstag der dpa. Experten sprechen bei diesem Phänomen von „Ausschwitzen“. „Wir wissen jetzt, dass das Ausmaß des Ausschwitzens größer ist als bei anderen Implantaten.“ Bei den Produkten aus Frankreich nehme das Problem mit dem Alter der Implantate zu.
Wie viele Frauen in Deutschland die Empfehlung betrifft, ist laut BfArM (Bonn) noch unklar. Bundesweit wurden bislang 19 Fälle von gerissenen Implantaten bekannt, aber im Gegensatz zu Frankreich keine Krebserkrankungen. „Wie dringend eine Entnahme im Einzelfall ist, hängt wesentlich davon ab, wie lange die Patientin das Implantat bereits trägt“, sagte der Präsident des BfArM, Walter Schwerdtfeger. Dies sollte vor jeder Operation mit dem Arzt besprochen werden.
Auch Frankreich und Tschechien hatten Frauen dazu aufgerufen, die Implantate entfernen zu lassen. In Belgien gaben etwa 100 Frauen an, dass ihnen solche Silikonkissen eingepflanzt worden waren. In vier Fällen traten nach Angaben der Nachrichtenagentur Belga Risse auf.
Das Bundesgesundheitsministerium hält die europäischen Vorschriften, die den Marktzugang für Medizinprodukte wie Brustimplantate regeln, nach einem Bericht der „taz“ für ausreichend. Es handele sich nicht um ein Problem der Zulassung, sondern um ein Problem der Überwachung, hieß es aus dem Ministerium.