Spirituosen-Trend Korn - Das nächste große Ding nach Gin?

Bremen (dpa) - Korn ist etwas Urdeutsches. Seit mehr als 500 Jahren wird er in Deutschland gebrannt - und fast nur dort. „Immer wenn ich traurig bin, trink ich einen Korn“, besang einst Heinz Erhardt den Schnaps.

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Korn ist fester Bestandteil des Herrengedecks in der Eckkneipe. Auch Schützenfeste und Scheunenpartys sind ohne den Klaren nicht denkbar. Korn gilt als bodenständig und volkstümlich, aber nicht als hip. Oder doch?

Nach der Welle um Craft-Biere und verschiedenste Gin-Sorten erobert nun Korn die Szene-Bars und Fachgeschäfte. Abgefüllt in schicke Flaschen und versehen mit einer Geschichte, die von aromatischen Körnern und viel Handwerkskunst erzählt, setzt sich dieser bewusst von dem günstigen Schnaps aus dem Supermarkt ab. „Das Korn“, „Nork“, „Vollkorn“ oder „Berliner Brandstifter“ heißen die neuen hippen Marken. Doch auch Traditionsbrennereien und große Konzerne mischen beim sogenannten Craft-Korn mit.

Mit dem Image des Korn steht es nicht zum besten, muss selbst Peter Pilz vom Verband Deutscher Kornbrenner zugeben. „Der Korn gilt als preisgünstiger Schnaps, der vor allem von Arbeitern und Bauern getrunken wird.“ Junge Leute würden deshalb lieber zu Wodka und anderen internationalen Spirituosen greifen. Etwa 50 Millionen Flaschen Korn kaufen die Deutschen seinen Angaben nach jährlich. Vor 20 Jahren waren es mit 120 Millionen noch mehr als doppelt so viele.

Auch Johann Dallmeyer machte aus diesen Gründen lange einen Bogen um Korn, bis er eines Tages ein Aha-Erlebnis in einer Bremer Kneipe hatte, wie er erzählt. Er trank einen Schnaps, ohne zu wissen, dass es sich um Korn handelte - und er schmeckte. „Korn hat vor allem ein Image- und kein Geschmacksproblem.“ Und das will Dallmeyer zusammen mit seiner Schwester Ann-Kathrin und dem gemeinsamen Freund Lars Galling ändern. Im vergangenen Oktober brachten sie mit „Nork“ ihren eigenen Korn auf den Markt. Einen, der nach Korn schmecken sollte, aber nicht zu sehr. Einen, der bei jungen Städtern ankommt, die für Qualität gerne etwas mehr bezahlen.

Brennen lassen sie „Nork“ in einer traditionellen Kornbrennerei in Scheeßel, einer kleinen Gemeinde zwischen ihren Wohnorten Hamburg und Bremen. Dort verdünnen die drei das hochprozentige Destillat selbst mit Wasser, lagern es für einige Wochen und füllen es dann in Flaschen ab. Die selbst designten Etiketten kleben sie am Wochenende im Haus von Dallmeyers Eltern auf die Flaschen. Gerade ist die 2000. fertig geworden.

Zurzeit ist der Korn für die drei Quereinsteiger eher ein Hobby neben ihren Vollzeit-Jobs. Vom Gewinn bleibt bisher noch nichts hängen. „Das Geld, das wir verdienen, wird sofort wieder investiert“, sagt Dallmeyer. Zum Beispiel in einen neuen Stahltank oder einen neuen Internetauftritt. Wenn es so weitergehe, könne sich die Schnapsidee jedoch im nächsten Jahr tatsächlich zum Geschäft entwickeln, meint Dallmeyer.

Ein Korn, der sich vom Standard-Schnaps abhebt, hat der Feinbrennerei Sasse aus dem Münsterland vor vielen Jahren die Existenz gesichert. In den 80er Jahren stand der Betrieb in Schöppingen wie viele andere vor dem Aus und musste auch zeitweise schließen. Doch dann baute Rüdiger Sasse diesen mit einer neuen Idee komplett um: „Wir müssen den Korn so gut machen wie einen richtig guten Grappa.“ Mehrere Jahre lagert der Korn bei Sasse in Fässern. Die Preise für den Lagerkorn reichen von 20 Euro pro Flasche bis zu 350 Euro für den 15 Jahre gereiften „Bordeaux-Finish“.

Im Gegensatz zu anderen Spirituosen hat Korn einen entscheidenden Vorteil. „Was Korn als einziger hat, ist diese große Flexibilität“, sagt Sasse. „Man kann ihn mild machen wie einen Wodka oder aromatisch wie einen Whisky.“ Drei Mitarbeiter hatte die Brennerei Ende der 1990er Jahre, als Sasse mit seinem Vater zusammen auf das Geschäft mit Lagerkorn umstieg. Heute sind es 33 Mitarbeiter. 100 000 Flaschen hochwertigen Korn verkauft Sasse jährlich. Zu seinen Kunden gehörten vor allem Genießer mit einer gut sortierten Spirituosen-Bar, sagt Sasse. Und junge Menschen, die sich für natürliche, handgemachte Produkte interessierten.

Auf diese zielt neuerdings auch der Getränkehersteller Berentzen, der eigenen Angaben nach Deutschlands größter Anbieter von Markenkorn ist. Am Stammsitz im emsländischen Haselünne eröffnete der Konzern gerade eine kleine Destille, in der ein Meisterdestillateur kleine Chargen eines Premium-Doppelkorns herstellen soll. „Wir sehen den Crafted-Korn absolut als aufkeimenden Trend“, sagt Vorstand Oliver Schwegmann. „Die Menschen wollen neue Geschmackserlebnisse und sie möchten Handarbeit.“

Wird also Korn nach Whisky und Gin das nächste große Ding in der Bar-Szene? Peter Pilz vom Verband Deutscher Kornbrenner ist da skeptisch. „Ein Massenmarkt ist das nicht. Ich glaube nicht, dass der Korn ein Revival erlebt.“

Die Feinbrennerei Sasse bietet regelmäßig Kurse in der Destillationskunst an. Sie heißen „Make your own gin“ und „Make your own whisky“. Einen Verweis auf Korn sucht man vergebens. „Dann würde keiner kommen“, gesteht Rüdiger Sasse. „Wir versuchen die Leute beim Gin abzuholen, und dann gehen die meist mit mehreren Flaschen Lagerkorn heim.“

Nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung trinken die Deutschen durchschnittlich 5,5 Liter Spirituosen pro Jahr. Die Experten warnen vor zu einem großen Alkohol-Konsum. Besonders Jugendliche seien gefährdet, da ihr Gehirn noch heranreife.