Experten kritisieren Krankenhaus-Essen: Gesund geht anders

Pampige Soßen und halbgare Nudeln: Bei der Ernährung in Krankenhäusern gibt es aus Expertensicht noch Luft nach oben. Dabei sei das Essen genauso wichtig wie die Medizin, die den Kranken verschrieben wird.

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Berlin. Wenn Eva Mell an die Zeit nach der Geburt ihrer Tochter im Krankenhaus in Rheinfelden (Schweiz) und das Essen dort zurückdenkt, gerät sie regelrecht ins Schwärmen. Nur ein paar Monate später, in einem benachbarten deutschen Krankenhaus sei das Essen eklig gewesen.

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Der Unterschied ist groß. Über das Essen in Rheinfelden sagt Eva Mell: „Das Ganze hatte etwas von Hotelurlaub. Feiner Schweizer Käse, ständig frisches Obst, Latte Macchiato so viel man will, mittags super Sachen zur Auswahl.“ Dagegen das Essen in dem deutschen Krankenhaus: „Es gab Kaiserschmarrn, der auch von vorvorgestern hätte sein können.“

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Krankenhausessen hierzulande hat einen schlechten Ruf und wird ihm auch immer wieder gerecht. Auf der Internetseite „ krankenhausessen.de“ finden sich zwar auch Fotos von leckeren Mahlzeiten, aber ebenso von pampigen Soßen und halbgaren Nudeln.

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Schlechtes Essen dort, wo Kranke gesund werden sollten - aus Expertensicht sind das keine Einzelfälle. Dass gesundes Essen ein wichtiger Therapiefaktor sei, habe sich zwar in vielen europäischen Ländern, aber noch nicht in Deutschland herumgesprochen, kritisiert der Kasseler Arzt Christian Löser von der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin (DGEM). „Das Essen ist genauso wichtig wie die Tabletten, die ich den Patienten verschreibe“, betont er.

„Wir Gesunden schaffen es schon kaum, uns täglich gesund zu ernähren. Vielen Kranken gelingt das in Kliniken erst recht nicht“, sagt Margret Morlo vom Verband für Ernährung und Diätetik (VFED), der am 7. März zum 21. Mal den „ Tag der gesunden Ernährung“ veranstaltet. Klinik-Speisepläne ähnelten oft noch denen von vor 20, 30 Jahren. „Schon damals wusste man, dass das Essen nicht so ist, wie es vonnöten wäre.“

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) hat Qualitätsstandards für die Verpflegung in Krankenhäusern entwickelt. Die Umsetzung sei aber bislang weder auf Landes-, noch auf Bundesebene verpflichtend, sagt eine DGE-Expertin. Dennoch hätten sich einige Kliniken freiwillig dafür entschieden.

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) verweist darauf, dass bei etwa einem Viertel der Patienten bereits bei Aufnahme ins Krankenhaus eine Mangelernährung vorliegt. Deshalb sei es sinnvoll, den Ernährungszustand der Patienten zu erfassen und bei Betroffenen einer weiteren Verschlechterung des Ernährungszustandes entgegen zu wirken, sagt Sigrid Miriam Groß von der DKG. „Viele Krankenhäuser haben eine Ernährungsberatung etabliert und bieten ihren Patienten eine entsprechende Auswahl bei den Speisen an.“

Fünf Euro geben Krankenhäuser im Schnitt für Lebensmittel pro Tag und Patient aus, wie eine Studie des Deutschen Krankenhausinstituts zeigt. Die Gesamtkosten für die Ernährung eines Patienten pro Tag liegen demnach bei unter 13 Euro - und das seit Jahren trotz Preissteigerungen. Kliniken sparen statt zu investieren - mit Folgen: Viele Küchen seien vom Inventar und vom Konzept her in einem bedenklichen Zustand.

Nicht immer ist die Küche im Haus und die Transportwege sind oft lang: In Klinikverbünden beispielsweise wird das Essen mitunter über die Straße zu den Patienten gebracht. „Es gibt auch eine renommierte Klinik, die ihr Essen aus Kostengründen täglich aus Venezuela einfliegen lässt. Das ist grotesk“, so Löser.

Dabei geht es auch anders. In der Küche der Berliner Klinik Havelhöhe beispielsweise. Dort duftet es an diesem Vormittag nach frisch gekochtem Rotkohl mit feiner Apfelnote. Im Ofen backen Maronenspätzle mit Bergkäse. Küchenchef Patrick Wodni vermengt frisch geschnittene Bio-Möhren mit Kräutern, um sie dann dampfzugaren. Ein Kollege formt und brät derweil Zucchini-Kartoffelpuffer.

Auch Wodni und sein Team haben nur rund fünf Euro pro Tag zur Verfügung und kochen trotzdem täglich frisch mit vielen Bio- und regionalen Zutaten und ohne Fertigprodukte. Das Fleisch kommt von einem Bio-Hof aus Stralsund, der Fisch von den Müritz-Fischern und das Gemüse von einem Bio-Hof im benachbarten Gatow.

Weil die Zutaten teurer seien als vom Großhändler, müsse er gut wirtschaften, sagt Wodni. „Fleisch gibt es daher nur dreimal und Fisch einmal pro Woche“, so der Koch. Das ärgere manche Patienten, im Allgemeinen seien sie aber sehr zufrieden. Mehr als 400 warme Mahlzeiten pro Tag verlassen täglich die Küche - vergleichsweise wenig.

An der Berliner Charité sind es bis zu 4000 Mittagessen, im städtischen Klinikum Stuttgart etwa 3000. Hinzu kommen laut einer Sprecherin noch einmal 8000 Mittagessen für städtische Kitas. Auch andere Krankenhausküchen versorgen weitere Einrichtungen. Wodni ist überzeugt, dass man aber auch „für 10 000 Menschen gut kochen kann. Man muss es nur wollen und das Personal haben“. Man müsse die Mitarbeiter auch effizient einsetzen.

Investitionen in gesundes Essen zahlen sich laut Ernährungsmediziner Löser aus, weil der Genesungsprozess bei gut ernährten Patienten deutlich schneller verlaufe und es weniger Komplikationen gebe. Er hat das Kasseler Modell entwickelt, um insbesondere Mangelernährung zu beheben. Die Patienten bekommen unter anderem zwischendurch nährstoffreiche und gesunde Shakes. „Wir haben uns hier nichts neues ausgedacht. Das Wissen um gesunde Ernährung ist seit Jahren da. Es muss nur umgesetzt werden“, so Löser. dpa