Kritik an Brustkrebs-Früherkennung neu entfacht

Tumore können so früher erkannt werden. Expertenstreit über Vor- und Nachteile.

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Köln. Das Programm zur frühen Erkennung von Brustkrebs, auch Mammografie-Screening genannt, läuft seit mehreren Jahren in Deutschland — und ist nun wieder Anlass für Debatten. Befürworter und Gegner streiten über Vor- und Nachteile.

Die Organisatoren argumentieren, Tumore würden damit in einem viel früheren Stadium entdeckt und die Heilungschancen dadurch verbessert. Doch nun ist das Screening erneut in die Kritik geraten: Ein Essener Radiologe soll jahrelang Frauen untersucht haben — ohne die erforderliche Erlaubnis.

Dies sei jedoch der einzige Fall mit solchen Mängeln, betont die Kooperationsgemeinschaft Mammografie. In NRW gibt es 94 Screening-Einheiten an mehr als 80 Standorten. Jede Frau im Alter zwischen 50 und 69 Jahren hat alle zwei Jahre Anspruch auf die Untersuchung. Die Teilnahme ist freiwillig und für gesetzlich Versicherte kostenlos. Die Frauen werden regelmäßig schriftlich eingeladen, können aber auch selbst um einen Termin bitten.

Beim Screening wird die Brust geröntgt. Es verhindert nicht, dass Brustkrebs entsteht. Ein möglicher Tumor kann aber entdeckt werden, wenn er noch sehr klein ist und nicht gestreut oder Lymphknoten befallen hat.

Studien zum Mammografie-Screening widersprechen sich jedoch. Laut einer „sehr guten und großen Untersuchung“ aus Kanada habe das Screening keinen Effekt auf die Sterblichkeit durch Brustkrebs, sagt Jürgen Windeler, Leiter des Kölner Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen. „Andere Studien zeigen einen positiven Effekt mit etwa 20 bis 30 Prozent Mortalitätsreduktion bei Brustkrebs.“ Das bedeute, dass eine von tausend Frauen weniger an Brustkrebs sterbe als ohne Screening.

Klar ist: Durch das Programm werden mehr Tumore entdeckt — etwa bei sechs bis sieben von 1000 Frauen. Vor der Einführung waren es zwei bis drei. Rund 80 Prozent der Tumore werden in einem frühen Stadium gefunden. Vor dem Screening waren es 49 Prozent.

Windeler betont jedoch, dass allein die Entdeckung nicht immer ein Vorteil ist. Es gehe um Krebserkrankungen, die die Betroffene nie beeinträchtigt hätten. Diese würden unnötigerweise therapiert — mit allen Belastungen wie Operationen und Chemotherapie. Außerdem führe eine frühe Entdeckung eines Tumors nicht zwingend zu besseren Heilungschancen und einem längeren Leben, „weil Krebserkrankungen unterschiedliche Ausgestaltungen und Prognosen haben können“.

In Deutschland erkranken jährlich etwa 70 000 Frauen neu an Brustkrebs, 17 500 sterben pro Jahr daran. Im Screening-Programm, das von 2002 bis 2009 aufgebaut wurde und weiter überwacht wird, dürfen nur geschulte Ärzte Aufnahmen auswerten. Sie müssen jährlich eine Prüfung ablegen. Die Hälfte der eingeladenen Frauen nutzt das Angebot. dpa