Manche mögen's roh: Was ein gutes Tatar ausmacht
Hamburg (dpa/tmn) - Tatar ist ein Gericht mit Geschichte. Um die Entstehung ranken sich Mythen, zuletzt geriet das rohe Rindfleisch in Verruf. Aber der Geschmack und die feine Textur bringen Fans noch immer (oder wieder) dazu: Sie drehen ein edles Rinderfilet durch den Fleischwolf und essen es roh.
Wer Tatar daheim macht, braucht keinen Fleischwolf - und muss nicht mal Fleisch mögen: Auch aus Fisch und Gemüse lässt sich ein Tatar zaubern. Einst auch in Deutschland ein Klassiker der guten Küche, ist Rindertatar in den vergangenen Jahren weitgehend von den Speisekarten verschwunden. BSE und Gammelfleischskandale haben vielen die Lust auf rohes Fleisch verdorben. Erst in jüngster Zeit taucht neben Fisch- und Gemüsetatar auch das Rindertatar hier und dort wieder auf.
10 bis 15 Kilogramm Fleisch verarbeiten die Profis im Hamburger „Café Paris“ täglich zu Tatar. „Die Gäste schätzen die Zartheit und den Geschmack des frischen Fleisches und die feine Würze“, sagt Mitinhaber Michael Hermes. Das am Tisch des Gastes zubereitete Tartare Café Paris sei besonders beliebt, erzählt Hermes. Der Kellner fährt einen Wagen mit Zutaten heran, bereitet frisch eine Mayonnaise zu und mischt das Tatar dann ganz nach dem Geschmack des Gastes mit Zutaten wie Kapern, Anchovis, roten Zwiebeln und Tabasco.
Der Begriff Tatar kommt vermutlich von den Tataren. Dass diese rohes Fleisch beim Reiten unter ihre Sättel legten, um es vor dem Essen mürbe zu machen, ist nicht sicher belegt. Andere Quellen gehen davon aus, dass das Fleisch nicht gegessen wurde, sondern Wunden des Pferdes heilen sollte. Oder aber die Sauce Tartare, eine Art Mayonnaise aus der französischen Küche, hat dem Fleischgericht erst seinen Namen gegeben. Der französische Spitzenkoch Auguste Escoffier soll die Soße Anfang des 20. Jahrhunderts zu roh gehacktem Rindfleisch serviert haben und nannte das Gericht Beefsteak à la Tartare.
Für ein gutes Tatar zählt vor allem die Qualität des Fleisches. Es muss fett- und sehnenfrei sein. Geeignet sind Filet, Kamm oder das sogenannte falsche Filet, ein Schulterstück des Rindes. „Beim Einkauf an der Fleischtheke sollte man darauf achten, dass bereits durchgelassenes Fleisch nicht gräulich oder grünlich schimmert und nicht abgetrocknet, sondern gleichmäßig dunkelrot aussieht“, sagt Jörg Stürmer, Fachtierarzt für Lebensmittelhygiene am Chemischen und Veterinäruntersuchungsamt in Stuttgart. Außerdem sollte Tatar keine weißlichen Einschlüsse wie normales Hackfleisch haben.
Da rohes Fleisch schnell verdirbt und die Gefahr einer Verunreinigung mit Salmonellen oder anderen Keimen besteht, muss Tatar nach dem Einkauf möglichst schnell wieder gekühlt werden. „Optimal ist es, mit der Kühltasche zum Einkaufen zu gehen“, sagt Stürmer. Im Kühlschrank sollte das Fleisch dann bei einer Temperatur von zwei bis vier Grad Celsius liegen. Jean-Guillaume Dufour, Restaurantbesitzer und Autor eines Tatar-Kochbuches, bevorzugt geschnittenes Fleisch. Wie fein die Würfel sind, ist Geschmackssache. Grobe Würfel haben mehr Biss, feine eher einen zarten Schmelz.
Für Fischtatar empfiehlt Dufour Lachs, roten Thunfisch oder Goldbrasse ohne Haut und Gräten. Ein besonders edler Genuss ist das gewürfelte Fleisch der Jakobsmuschel, angerichtet mit Apfel, Granatapfel, Trüffelöl und Wasabi. Für vegetarische Varianten bieten sich unter anderem Rote Beete sowie Tomaten und Gurken ohne Kerngehäuse an.
In ein klassisches Rindertatar gehören ein Eigelb - auch hier unbedingt auf Frische achten -, Kapern und Zwiebeln oder Schalotten. Hinzu kommen beispielsweise Crème Fraîche, Senf, Cornichons, Anchovis, Kräuter, Worcestershiresauce, Speck und natürlich Gewürze wie Salz, Paprikapulver und Pfeffer. Angerichtet wird am besten mit einem Kochring - so bekommt das Tatar auf dem Teller eine schöne Form.
Service:
Jean-Guillaume Dufour: Tatar: Mehr als Fleisch - roh und köstlich, Hädecke Verlag, 72 Seiten, 12,95 Euro, ISBN-13: 978-3-7750-0676-7