Medizin: „80 Prozent der Rückenoperationen sind überflüssig“
Orthopäde Martin Marianowicz attackiert die eigene Zunft und bezeichnet Wirbelsäulen-OP als Roulette-Spiel.
Düsseldorf. Der Orthopäde und Buchautor Dr. Martin Marianowicz erzählt gern einen Witz, über den viele seiner Kollegen vermutlich nicht lachen: "Welche Rückenklinik hat die besten Ergebnisse? Die mit der längsten Wartezeit."
Denn Marianowicz ist überzeugt, dass "80 Prozent aller Rückenoperationen überflüssig sind", und das sei noch gering gerechnet. Selbst Bandscheibenvorfälle heilten zu 90 Prozent ohne OP, und 40 Prozent aller Rückenoperationen brächten nicht den gewünschten Erfolg.
Für sein Patienten-Buch "Aufs Kreuz gelegt" reist Marianowicz derzeit durch die Republik, kritisiert mit Münchener Charme die Mediziner-Zunft. Im Gegensatz zu den meist sehr erfolgreichen Hüftgelenks-Operationen sei eine Wirbelsäulen-OP ein Roulette-Spiel.
Der Grund: Die moderne Bildgebung vom Röntgen bis zum Kernspin kann auf falsche Fährten führen. Denn nicht jede damit sichtbare Veränderung muss behandelt werden, selbst Bandscheibenvorfälle verursachen oft keinerlei Schmerzen.
Marianowicz plädiert für eine abgestufte Behandlung, je nach Schmerzintensität: Zuerst die Entzündung in den Griff bekommen (mit entzündungshemmenden, durchblutungsfördernden Medikamenten), die Operation sei nur die letzte Option.
Vielen Patienten könne schon mit Muskelaufbau oder Entspannungstraining, mit Physiotherapie oder Osteopathie geholfen werden. "Unsere schnelle Diagnostik führt zu schneller Übertherapie."
Außer bei Lähmungserscheinungen könne man ruhig sechs bis zwölf Wochen abwarten. Aber ein Arzt erhalte selbst bei Privatpatienten für ein Gespräch nur 26 Euro, für eine Kernspintomographie aber 700 Euro.
"Viele Operationen sind in erheblichem Maße überflüssig", sagt auch Barbara Tödte von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland. Ihr Rat: Der Patient sollte eine zweite Meinung einholen.
"Aufs Kreuz gelegt. Warum 80 Prozent der Rückenoperationen überflüssig sind", Martin Marianowicz, Goldmann Arkana, 17,95 Euro.