Muskel an der Grenze - Bei Zerrungen ist Pause angesagt
Frankfurt/Main (dpa/tmn) - Ein falscher Schritt und plötzlich zieht es schmerzhaft im Muskel. Eine Zerrung holt man sich schnell. Das Training ist dann gelaufen. Denn wer trotz Schmerzen weitermacht, riskiert einen Riss des gezerrten Muskels.
Bei einer Zerrung werden die kleinsten Fasern im Muskel, die sogenannten Sarkomere, gedehnt, erläutert Orthopäde Ingo Tusk. „Das ist die harmloseste aller Muskelverletzungen.“ Unterschätzen sollte man sie aber nicht.
Sportler erkennen eine Zerrung an einem stichartig einziehenden Schmerz. Die umliegende Muskulatur verspannt sich sofort, der gezerrte Muskel wird hart. „Das ist ein Schutzreflex“, sagt Physiotherapeut Michael N. Preibsch. Mit Sport sollte in jedem Fall gleich Schluss sein, sonst kann die Verletzung schlimmer werden.
Tusk empfiehlt stattdessen die Anwendung des PECH-Schemas. Die vier Buchstaben stehen für Pause, Eiskühlen, Compression, Hochlegen. Durch die Kälte ziehen sich die Gefäße im Muskel zusammen. Dadurch kann es nicht weiter ins Gewebe einbluten. Ein elastischer Verband unterstützt den Vorgang. „Das Hochlegen sorgt schließlich dafür, dass das Blut von dem gezerrten Muskel wegfließt“, erläutert Tusk.
Sind die Schmerzen so stark, dass man nicht mehr gehen kann oder es sogar in der Ruhestellung wehtut, geht man besser direkt zum Arzt, rät Jürgen Wismach, Präsident des Berliner Sportärztebundes. Die Faustregel für die Sportpause bei einer Zerrung sind 8 bis 14 Tage, schätzt der Sportmediziner. „Pauschal ist das schwer zu sagen. Manchmal dauert die Heilung auch drei Wochen.“
Oft folgt eine Zerrung, wenn Sportler nicht richtig aufgewärmt sind. Bei Kälte gilt besondere Vorsicht, weil die Muskeln verletzungsanfälliger werden. „Auch Regen kann einen auskühlenden Effekt haben“, warnt Tusk. Betroffen seien in dem Fall meist die Waden. Sportler helfen sich dann mit speziellen Stutzen, die bis unter das Knie reichen, oder langen Hosen.
Überanstrengung und Ermüdung sind weitere mögliche Ursachen: Bewegt man sich nach längerer Belastung ruckartig, könne das den Muskel überfordern und eine Zerrung hervorrufen, sagt Wismach. In der Regel passiert das bei Sportarten mit raschen Tempowechseln oder bei Intervallläufen mit langsamen und schnellen Teilen.
Wenn der Muskel leicht verhärtet, ist das ein erstes Anzeichen für eine Überbelastung. Sportler bezeichnen den Moment umgangssprachlich mit der Floskel, dass der Muskel „zugeht“. Das sei eine Warnung, so Preibsch. Das Training sollte dann besser abgebrochen werden. Oft ist schlechte Ernährung eine Ursache für zugehende Muskeln. Etwa wenn Elektrolyte wie Magnesium fehlen. „Die sind ein wichtiger Weichmacher für die Muskeln“, sagt der Physiotherapeut.
Fühlen Sportler einen punktuellen, stechenden Schmerz und vielleicht eine Delle unter der Haut, welche bei Druck schmerzt, spricht das für einen Muskelfaserriss. In dem Fall ist ein deutlich größerer Faseranteil verletzt, und es bilden sich häufig Hämatome.
Bei einer Zerrung liegt die Verletzung in den Muskelzellen, die sich wieder regenerieren, erläutert Wismach. „Sie ist eine Vorstufe zum Muskelfaserriss.“ Bei ihr wird die Grenze der Dehnfähigkeit des Muskels erreicht, jedoch nicht überschritten.