Mutige Männer gehen eher zum Arzt
Tübingen (dpa/tmn) - Es klingt wie ein Klischee, ist aber statistisch gut belegt: Männer gehen seltener zum Arzt, achten weniger auf ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden, leben ungesünder als Frauen.
Und doch sind sie nicht alle Gesundheitsmuffel.
Auch wenn Männer tatsächlich seltener zum Arzt gehen als Frauen: Man sollte sie nicht per se zu Gesundheitsmuffel abstempeln. „Die "Vergesundheitsmuffelung" der Männer ist kontraproduktiv“, sagt Reinhard Winter vom Netzwerk für Männergesundheit in Tübingen.
Durch eine undifferenzierte Betrachtung ergebe sich ein falsches Bild. „Wenn man sich viele Bereiche der Gesundheit oder auch verschiedene Altersgruppen anschaut, stellt man fest, dass es sehr viele Männer gibt, die sich um ihren Körper, ihre Psyche und auch um ihre soziale Gesundheit kümmern“, sagte Winter mit Blick auf den ersten Männergesundheitskongress am Dienstag (29. Januar) in Berlin. Veranstalter sind das Bundesgesundheitsministerium und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
Meist werde Kritik daran festgemacht, dass Männer seltener zu Vorsorgeuntersuchungen gingen. Winter zufolge ist das zu kurz gedacht. „Dass Männer seltener zum Arzt gehen, stimmt natürlich statistisch, man kann aber auch umgekehrt sagen: Es gehen viel zu viele Frauen viel zu häufig zum Arzt.“ Manche Frauen konsultierten unverhältnismäßig oft einen Arzt.
Frauen sollten daher ihre Männer nicht bei jeder kleinen Beschwerde zu einem Arztbesuch drängen, rät der Experte - zumal viele Männer auf Anweisungen eher bockig als aufgeschlossen reagierten. Förderlich sei eher ein verständnisvolles, gezieltes Nachfragen. In vielen Fällen sei das Vertrauen auf die Selbstheilungskräfte des Körpers sogar gesund.
Oft stecke hinter der Scheu vor dem Arztbesuch aber nicht etwa Selbstvertrauen oder ein von Stärke und Unfehlbarkeit geprägtes Männlichkeitsbild, sondern die Angst vor der Diagnose. „Viele Männer haben tatsächlich Angst vor dem Behandlungsergebnis“, sagte Winter. „Die mutigen Männer, die auch eine schlimme Nachricht verkraften können, gehen eher zum Arzt, wenn irgendwas mit dem Darm ist oder das Herz sich komisch anfühlt.“
Wenn man Männer zu gesünderem Verhalten bewegen wolle, sollten nicht diejenigen angesprochen werden, die ohnehin schon ein ausgeprägtes Gesundheitsbewusstsein haben. Zum Beispiel seien Manager in gut gehenden Unternehmen mit Gesundheitschecks und -angeboten überversorgt. Diejenigen hingegen, die häufiger krank sind, also eher ärmere oder sozial benachteiligte Männer, gerieten oft aus dem Blickfeld. „Das sind aber genau diejenigen, die in den meisten Fällen die Statistik verhauen.“