Nach der Psychiatrie zurück in den Job
Hannover (dpa/tmn) - Eine psychische Krankheit kann das Leben ganz schön durcheinanderwirbeln. Wer sich deswegen stationär behandeln lassen muss, verliert durch seine Abwesenheit oft den beruflichen Anschluss.
Für den langsamen Wiedereinstieg in den Job gibt es Hilfe.
Die Krankheit riss Stefan D. aus dem Beruf. Er war Anfang 30, Maschinenbauingenieur, hatte eine gute Stelle. Doch dann wurde er stark psychisch krank, konnte nicht mehr arbeiten und musste in die Psychiatrie. Monatelang wurde er dort wegen einer paranoiden Schizophrenie behandelt - und verlor seinen Job.
So wie dem heute 36-Jährigen aus München geht es zahlreichen Menschen in Deutschland. Die Krankenkasse Barmer GEK zum Beispiel hat in ihrem Gesundheitsreport 2011 festgestellt, dass psychische Erkrankungen einen Großteil der Fehlzeiten von Arbeitnehmern ausmachen - nach den Muskel-Skelett-Erkrankungen belegen die psychisch bedingten Fehlzeiten Platz zwei. „Im Durchschnitt dauern psychische Erkrankungen mit knapp 42 Arbeitsunfähigkeitstagen je Fall jedoch am längsten“, erklärt Barmer-GEK-Sprecher Axel Wunsch.
Mit dieser Problematik kennt sich Michael Bräuning-Edelmann gut aus. Er ist 1. Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation psychisch kranker Menschen in Hannover. „Rund 30 Prozent aller Menschen in Deutschland werden einmal in ihrem Arbeitsleben psychisch krank“, sagt er. Genaue Zahlen gebe es nicht. Bekannt sei aber, dass viele dieser 30 Prozent intensive Langzeitunterstützung brauchen, um wieder in den Beruf hineinzufinden.
„Ein Drittel der chronisch psychisch Kranken kann trotz der Erkrankung wieder normal in den Arbeits- und Lebensalltag zurück“, sagt Bräuning-Edelmann. Sie seien wieder so fit, dass sie im bisherigen Job neu starten könnten. Bei etwa zwei Dritteln klappe das jedoch nicht. „Das liegt zum einen daran, dass die Rehabilitationsmaßnahmen nach der Psychiatrie meist ein bis zwei Jahre dauern und die Menschen den Job dann oft verloren haben.“
Zum anderen kämen viele Menschen mit psychischen Problemen mit den Arbeitsbelastungen nicht mehr zurecht. Sie hätten beispielsweise Probleme damit, die geforderte Arbeitsleistung kontinuierlich zu erbringen und könnten schlechter mit Stress umgehen. „Man muss dann schauen, was jede einzelne Person tun kann.“ Manchmal helfe es, in Teilzeit zu arbeiten, andere müssten umschulen.
So ging es auch Stefan D. Nach der Psychiatrie kam er in Reha-Einrichtungen und wurde so rund zweieinhalb Jahre intensiv betreut. „Ich war im zweiten Jahr in einer beruflichen Reha“, berichtet er. Dort bekam er Hilfe, beruflich Fuß zu fassen. „Wir haben besprochen, wie es mit mir weitergehen kann, was und wie viel ich mir zutraue, und man hat mir Praktika vermittelt, durch die ich andere Berufe ausprobieren konnte.“ Stefan D. entschied sich, die Branche ganz zu wechseln und Produktionshelfer zu werden, wo er viel mit Holz arbeiten konnte.
Wichtig sind dabei die Rehabilitationszentren für psychisch Kranke, kurz RPK. „Nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie gehen viele Menschen in so eine Reha“, erklärt Bräuning-Edelmann. Dort bekommen sie neben der medizinischen Behandlung umfangreiche Hilfe zum Wiedereinstieg in das Arbeitsleben. „Viele der RPKs beraten auch dann, wenn man nicht stationär bei ihnen ist.“ Außerdem gebe es teilweise Reha-Berater bei den Arbeitsämtern. „Die helfen ebenfalls und schauen, was die Stärken und Schwächen des Betroffenen sind.“
Dabei sollte man den Einfluss der Medikamente nicht unterschätzen, wie Stefan D. aus eigener Erfahrung berichtet. „Bei mir dämpfen die Medikamente die Konzentrations- und Merkfähigkeit und mein Leistungsvermögen.“ Nach einigen Stunden Arbeit sei er deutlich erschöpfter, als er es ohne Medikamente war. Auch deswegen wählte er keine Vollzeitstelle, sondern einen Teilzeitjob.
Einfach war das trotzdem nicht. „Ich habe mehrmals die Erfahrung gemacht, dass man mit einer psychischen Erkrankung deutlich im Nachteil ist bei potenziellen neuen Arbeitgebern.“ Noch gebe es zu viele Vorurteile und auch Angst im Umgang mit psychisch Kranken. „Man muss sich daher immer wieder aufrappeln“, sagt er - und ist dennoch weiter zuversichtlich: „Mein Ziel ist, mit kleinen Schritten einigermaßen zurückzukommen ins Arbeitsleben“, sagt er. „Ich probiere, einen Schritt nach dem nächsten zu gehen.“