Nach Schenkelhalsbruch schnell wieder auf den Beinen
Tübingen (dpa/tmn) - Ein kleiner Sturz, und schon geht nichts mehr - ein Oberschenkelhalsbruch ist für viele ältere Menschen eine Horrorvorstellung. Doch die Zeiten, als die Patienten danach kaum wieder auf die Beine kamen, sind längst vorbei.
Als junger Mensch hätte Margarete Junker* den kleinen Sturz locker weggesteckt. Am Fußabtreter im Flur standen schon lange die Ecken hoch - eines Tages blieb die 76-Jährige daran hängen und fiel hin. Diagnose: Oberschenkelhalsbruch. „Früher hätte ich höchstens einen blauen Fleck gehabt. Aber als ich da gefallen bin, konnte ich mich vor Schmerzen wirklich nicht mehr bewegen“, erinnert sie sich. Wer einmal jenseits der 60 ist, landet selbst nach einem vermeintlich harmlosen Sturz schnell im Krankenhaus. Doch während ein Schenkelhalsbruch vor ein paar Jahrzehnten oft noch einem Todesurteil gleichkam, sind die Patienten heute schon nach ein paar Stunden wieder auf den Beinen.
Fast immer sei ein Oberschenkelhalsbruch eine Folge von Osteoporose, dem sogenannten Knochenschwund, sagt Prof. Nikolaus Wülker, Chefarzt der Orthopädischen Universitätsklinik Tübingen. „Die meisten Patienten wissen bis dahin gar nicht, dass sie überhaupt Osteoporose haben. Nur selten gibt es Alarmzeichen wie Schmerzen bei Belastung. Aber wenn Osteoporose-Patienten einmal hinfallen, haben sie gleich einen Schenkelhalsbruch.“
Die Symptome sind oft eindeutig: „Man hat starke Schmerzen, kann das Bein nicht belasten und deshalb auch nicht aufstehen“, sagt Nils Graf Stenbock-Fermor vom Deutschen Orthopäden-Verbands in Saarbrücken. Das Bein ist nach außen verdreht und deutlich verkürzt. „Wenn man einen älteren Menschen findet, der gestürzt ist, über Schmerzen klagt und sich nicht bewegen kann, sollte man deshalb sofort den Notarzt rufen“, sagt Wülker.
Ein Oberschenkelhalsbruch wird inzwischen eigentlich immer operiert. Bei der mit Abstand häufigsten Form, der sogenannten medialen Schenkelhalsfraktur, bauen die Ärzte dann ein künstliches Hüftgelenk ein. „So eine OP dauert 30 bis 40 Minuten, nicht länger. Deshalb gibt es selbst bei sehr alten Patienten kaum Probleme“, sagt Stenbock-Fermor. „Ganz wichtig ist, dass die Patienten so schnell wie möglich wieder auf die Beine kommen. Am Nachmittag nach der OP müssen sie eigentlich schon wieder durch den Krankenhausflur laufen können.“
Vorbei sind die Zeiten, als Patienten bis zu drei Monate lang in einem Streckverband im Bett liegen mussten. Viele bekamen in dieser Zeit eine Lungenentzündung oder Thrombose - die Sterblichkeit bei Oberschenkelhalsbrüchen lag vor einigen Jahrzehnten noch bei mehr als 50 Prozent. „Heute liegt die Mortalität bei 3 bis 5 Prozent. Die Behandlung von Schenkelhalsbrüchen ist eine der größten Erfolgsgeschichten in der Chirurgie überhaupt“, sagt Wülker.
Nach 10 bis 14 Tagen können die meisten nach Hause und ihr Bein auch schon wieder voll belasten. „Auf jeden Fall brauchen die Patienten noch eine intensive krankengymnastische Betreuung“, sagt Wülker. „Die Muskulatur muss wieder richtig anspringen, deshalb hinken Patienten am Anfang ein bisschen.“ Das geht zwar auch ambulant, aber viele entschieden sich trotzdem für eine Reha.
Doch auch wenn Oberschenkelhalsbrüche heute gut behandelbar sind und Patienten wie Margarete Junker meist schnell wieder auf die Beine kommen, sollte man es nicht darauf ankommen lassen, mahnt Stenbock-Fermor. „Man kann einiges machen, um einen Schenkelhalsbruch zu vermeiden.“ Eine gesunde Lebensführung mit einer ausgeglichenen Ernährung und Sport wie Walken oder Fahrradfahren stärke die Knochen. Bei Nahrungsergänzungsmitteln wie Kalzium und Vitamin D gehen die Meinungen der Experten hingegen auseinander: Stenbock-Fermor hält sie für sinnvoll, Wülker nicht.
* Der Name wurde von der Redaktion geändert.