Nachsorge mit Netz und doppeltem Boden für die Niere
Freiburg (dpa) - Der Erfolg einer Nierentransplantation hängt nicht nur von der Operation ab, sondern auch von einer gründlichen Nachsorge. Hilfreich kann dabei die Telemedizin sein.
Hansjörg Maier ist nach seiner Operation wieder Zuhause und gerade aus dem Bett aufgestanden. Er misst seine Körpertemperatur und sein Gewicht, Blutzucker- und Blutdruckwerte. Die Werte tippt der 50-Jährige in einen Computer ein. Es ist eine sich täglich wiederholende Gepflogenheit für Maier. „Die Eingabe dauert nicht länger als zwei Minuten“, sagt er.
Im Januar 2013 spendete ihm sein Bruder eine Niere, seitdem wird er für ein Jahr täglich überwacht. Maier gehört zu den Teilnehmern eines bundesweit einmaligen telemedizinischen Projekts für Nierentransplantierte der Universitätsklinik Freiburg. Mithilfe der Telemedizin können medizinische Daten und Informationen für präventive, diagnostische oder behandelnde Zwecke über große Entfernungen per Telefon oder Internet kommuniziert werden.
Die Daten werden verschlüsselt über das Internet an das Transplantationszentrum der Freiburger Uniklinik gesendet. Dort überprüfen Spezialisten die Eingaben. Bei auffälligen Werten wird Alarm ausgelöst und eine Krankenschwester nimmt sofort Kontakt per Telefon oder Videokonferenz mit dem Patienten auf. Schließlich kann es zu Abstoßungsreaktionen oder Infektionen kommen, die den Verlust des Organs zur Folge haben können.
Nach Angaben des Klinikums der Universität München erkranken in Deutschland jährlich etwa 15 000 Menschen am Funktionsverlust beider Nieren. Maier erfuhr mit 16 Jahren, dass er nierenkrank ist. 13 Jahre später stellten seine Nieren ihre Funktionen ein. Diese sind: den Stoffwechselhaushalt konstant halten, Giftstoffe aus dem Blut filtern, Harn zu produzieren und lebenswichtige Hormone bilden.
Maier war auf eine Bauchfelldialyse angewiesen - ein Verfahren zur Reinigung des Bluts, welches mit einem enormen zeitlichen und finanziellen Aufwand sowie erheblichen Einschränkungen der Lebensqualität verbunden war. Mit 32 Jahren erhält der lebensfrohe Mann eine Nierenspende. Das Organ trägt er 18 Jahre in seinem Körper, bis es zu einem Infekt kommt und Maier erneut auf eine Dialyse zusteuert. Bevor es soweit kommt, erklärt sich jedoch sein Bruder zu einer Nierenspende bereit.
Die telemedizinische Nachsorge ersetzt nicht die klassische Nachsorge mit zwei- bis dreiwöchiger Rehabilitation und wöchentlicher Untersuchung durch einen Facharzt. „Das Projekt ist eine Nachsorge mit Netz und doppelten Boden für die Niere, die wir zusätzlich zur üblichen Nachsorge anbieten“, sagt Przemyslaw Pisarski, Leiter der Chirurgie am Transplantationszentrum Freiburg. Sollte es zu einer Abstoßungsreaktion oder Infektion kommen, können diese früher erkannt werden. Patienten würden zudem mehr Sicherheit mit dem neuen Organ bekommen und selbstständiger werden.
Vorteile ergeben sich auch für Krankenkassen. „Die Patienten erhalten eine lückenlose Betreuung, auch Hunderte Kilometer vom Universitätsklinikum entfernt“, sagt Andreas Vogt von der Techniker Krankenkasse (TK) in Baden-Württemberg. Solche Ansätze benötige das Gesundheitswesen. „Das Projekt hat auch gezeigt, dass ungeplante Krankenhausaufenthalte seltener werden“, sagt Silvia Hils, Leiterin des Telemedizinprojekts an der Uniklinik Freiburg.
Für Maier, der im rund 75 Kilometer von Freiburg entfernten Lörrach wohnt, sind die Vorteile klar: „Ich konnte nach der Transplantation mehr Zeit mit meiner Familie verbringen und in meinen Beruf schneller wieder einsteigen.“ Zudem müsse er nicht so oft nach Freiburg in die Klinik fahren. Pisarski betont: „Trotz der Zeit- und Kostenersparnis gibt es keine Einbußen bei der Versorgungsqualität.“