Nichts für Kalorienzähler: Prignitzer Knieperkohl

Pritzwalk (dpa) - Knieperkohl aus der brandenburgischen Prignitz ist für manche Genießer eine pure Gaumenfreude. Andere haben Angst vor drohendem „Hüftgold“. Denn dieses Gericht ist nichts für Kalorienzähler und Vegetarier.

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Mit einem Irrglauben muss zunächst aufgeräumt werden: Knieperkohl ist keine Gemüseart. Der Name bezeichnet ein traditionelles Gericht aus der Prignitz in Nordbrandenburg. Eingefleischte Fans rühmen die Speise als Delikatesse. Skeptikern wird zumindest ein Versuch empfohlen. Während der noch bis etwa März dauernden Saison kommt in etwa einem Dutzend Gastwirtschaften in der Prignitz die traditionelle Hausmannskost auf den Tisch.

Gastwirt Horst Fenske aus dem „Deutschen Haus“ in Pritzwalk hält seit Jahren die Fahne des Knieperkohls hoch. Er beschäftigte sich mit der Geschichte der regionalen Speise und wirbt dafür. „Wenn früher die Bauern die Erntesaison abgeschlossen hatten, dann begann die Zeit des Knieperkohls“, erzählt er. Es sei ein deftiges Gericht, für hart arbeitende Menschen. „Sehr nahrhaft, aber auch gesund wegen des hohen Vitamingehalts im Kohl“, sagt Fenske. Er selbst isst sogar das ganze Jahr über Knieperkohl.

Das Gericht erinnert entfernt an Grünkohl, aber mit mehr Säure, bissfester und vor allem viel fetter. Es besteht aus drei Kohlsorten. Hauptbestandteil ist Weißkohl, dazu kommt Grünkohl. I-Tüpfelchen ist aber der Blaue Marktstammkohl. Er sorgt für die braun-grünliche Farbe. Heute wird er nur noch von einigen Enthusiasten in der Region angebaut. Die Pflanze wächst bis zu zwei Meter hoch. Verwendung finden ihre Blätter.

Die drei Kohlsorten werden über einen Hobel in gleichgroße Stücke geschnitten. Dann landet das rohe Gemüse mit Salz, Weinblättern und Kirschblättern schichtweise in Steinzeugtöpfen und vergärt dort.

Die weitere Zubereitung ist laut Fenske relativ simpel. In seiner Gastwirtschaft kommen auf 20 Kilogramm Kohl etwa fünf Kilogramm Schweinebacke und Gewürze. Nach etwa zwei Stunden im Backofen soll der Kohl oben schwarz sein und vor Fett glänzen. „Dazu gibt es Pellkartoffeln, Kohlwürste, Brägenwürste, Kaßler oder Eisbein“, sagt er. Kalorienangaben erübrigen sich da.

Der Fremdenverkehrsverein Pritzwalk nutzt den Knieperkohl als Werbemittel. „Er macht die Region bekannt“, sagt Vereinsvorsitzender Hans-Werner Boddin. Doch er weiß auch, dass das Gericht nicht auf Anhieb Anhänger findet. „Eine Light-Variante gibt es nicht“, sagt er. Und die Speise führt den Namen zurecht: „Nach dem Verzehr kann es im Bauch kniepern“.

Für die Verbreitung des Kohls über die Grenzen der Prignitz hinaus sorgt Sabine Schneider aus Groß Pankow. Seit Mitte der 1990er Jahre bietet sie den sauer eingelegten Kohl in Konserven an. „Die ersten Bestellungen kamen aus Neugier. Durch Mund-zu-Mund-Propaganda wurden weitere Freunde gefunden“, erzählt sie.

Über die Kohlmengen, die sie im Jahr verarbeitet, will Schneider nicht sprechen. Nur soviel: Auch ohne Internetseite und Onlinehandel läuft das Geschäft nach ihren Worten gut.

Auch Fenske verschickt aus seiner Gastwirtschaft Knieperkohl-Konserven. Kostenlos gibt es bei ihm ein Tütchen Samen für Braunen Marktstammkohl. Ein Anfang für das Prignitzer „Nationalgericht“ wäre damit gemacht.