Paleo-Küche: Essen wie in der Steinzeit

Frankfurt/Main (dpa) - Im Frankfurter Stadtteil Bornheim liegt ein sogenanntes Paleo-Restaurant. Im „Mammeo“ wird nämlich gekocht, gebacken und getrunken wie im Paläolithikum, der Altsteinzeit.

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Paleo-Ernährung beschränkt sich auf Nahrungsmittel, die schon in der Steinzeit verfügbar waren: Fleisch, Fisch und Meeresfrüchte, Eier, Obst und Gemüse, Pilze, Nüsse und Honig. Alles, was durch Ackerbau und Viehzucht dazukam, wird vermieden: Getreide und damit Brot oder Müsli; Milch und damit Joghurt oder Butter; Zucker. Ernährungsforscher sehen das eher kritisch.

Im „Mammeo“ ist der Milchschaum auf dem Cappuccino aus Kokosmilch, die heiße Schokolade besteht aus Mandelmilch. Die Tacos auf der Mittagskarte werden aus Kochbananen gemacht, der Schmand für die Grüne Soße aus Cashewnüssen. Sariya Forkel hat das Lokal vor einem Jahr gegründet. Bisher ist es hauptsächlich ein Café mit Mittagstisch, ab Mitte Mai will die 28-Jährige am Wochenende auch abends öffnen und dann auch „richtig schöne Steaks“ anbieten.

Vorbilder gibt es wenige: In Berlin-Neukölln hat 2011 das „Sauvage“ eröffnet, 2013 kam ein - noch größerer - Ableger in Prenzlauer Berg dazu. Im Szene-Quartier rund um die Berger Straße in Frankfurt sprossen währenddessen vegane Restaurants und Cafés wie Pilze aus dem Boden. Man könnte das „Mammeo“ für einen kühnen Gegenentwurf halten: ein Refugium für Fleisch-Freunde. Viele Besucher kommen aber aus anderen Gründen, zum Beispiel, weil sie unter Laktose-Intoleranz oder Gluten-Unverträglichkeit leiden.

Forkel ernährt sich selbst seit rund drei Jahren nach den Regeln der Paleo-Diät. „Ich wollte keine industriell verarbeiteten Lebensmittel mehr essen“, begründet Forkel ihre Entscheidung. Gekocht und gebacken habe sie schon immer gern, sagt die gelernte Friseurin. So kam sie auf die Idee, ein Restaurant zu eröffnen, „in das ich selbst gern gehen würde“. Das Motto ihres Ladens: „Real Food“.

Online-Foren, Kochbuch-Autoren und Seminar-Anbieter haben das Thema Steinzeit-Kost entdeckt. Eine der bekanntesten ist Sabine Paul, Gründerin des „PaläoPower-Instituts“. Sie verspricht auf ihrer Homepage „sprühende Energie mit der natürlichen Ernährung unserer fitten Vorfahren.“

Susanne Klaus leitet beim Deutschen Institut für Ernährungsforschung die Arbeitsgruppe Physiologie des Energiestoffwechsels. Sie kann der Steinzeiternährung nicht viel abgewinnen. „Wieder so eine leicht unsinnige Sache“, sagt sie trocken.

Zugrunde liegt dem Trend eine Theorie des Stammvaters der Bewegung, Loren Cordain. Demnach ist der Mensch nicht dafür geschaffen, kohlenhydratreiche Agrarprodukte zu verdauen - genetisch habe er sich seit der Steinzeit schließlich nicht weiterentwickelt.

Dafür gebe es „keine wissenschaftliche Grundlage“, sagt Klaus. „Außerdem wissen wir gar nicht genau, was man in der Steinzeit gegessen hat.“ Ganze Nahrungsmittelgruppen auszuschließen, sei unsinnig: „Das Beste ist eine normale, breitgefächerte Mischkost, so vielfältig wie möglich.“

Gut findet Klaus, dass in der Paleo-Küche nur frische, industriell nicht vorverarbeitete Lebensmittel verwendet werden - das sei aber in jedem guten Restaurant der Fall. Diese Erfahrung hat auch Sabine Lanius gemacht. Die 49-Jährige, die als Beraterin viel unterwegs ist, ernährt sich seit einem halben Jahr nach den Paleo-Regeln, hat aber noch nie ein Steinzeitrestaurant besucht. „Man kann in jedem guten Restaurant etwas finden.“

Beim Selberkochen findet sie es „charmant, dass die Rezepte eher schlicht sind und dass man satt wird, ohne Kalorien zu zählen“. Seit sie auf Weißmehl, Zucker und Kuhmilch verzichte, fühle sie sich nach dem Essen nicht mehr aufgebläht und habe kein Völlegefühl mehr. Ihre Allergien seien weniger geworden, sagt die Frankfurterin. „Ich fühle mich fitter und habe mehr Energie“.

Ernährungswissenschaftlerin Klaus bleibt dennoch skeptisch. Sie lehnt jeglichen „Ernährungs-Dogmatismus“ ab. Dass immer mehr Menschen ihre Nahrungsmittelpalette bewusst einschränken, hält sie für ein Wohlstandsphänomen in Zeiten großer Auswahl und niedriger Preise - und manchmal auch für „eine Art Religionsersatz“.