Sozial im Supermarkt: Label für faire Arbeit
Berlin (dpa/tmn) - Bio-Siegel gibt es im Supermarkt wie Sand am Meer. Prädikate für faire Arbeit sind bei den Lebensmitteln eher Mangelware. Wer sozialverträglich einkaufen will, muss ganz gezielt danach suchen.
Ohne Ausbeutung, ohne Kinderarbeit, ohne Billiglöhne - wer faire Arbeit unterstützen will, muss beim Einkauf im Supermarkt die Augen offen halten. Gütesiegel für sozialverträgliche Herstellungsbedingungen sind besonders bei Tiefkühlprodukten rar gesät. Im Interview erklärt die Lebensmittelexpertin Laura Gross von der Verbraucher Initiative in Berlin, worauf es beim Griff in die Kühltheke ankommt.
Frau Gross, wie kann ich als Verbraucher sicher gehen, dass das Tiefkühlprodukte aus dem Supermarkt auch unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt wurden?
Laura Gross: Für Verbraucher gibt es kaum eine Faustregel, weil das Thema die innere Ethik der Unternehmen betrifft und Ausdruck davon ist, wie gut sie ihre Lieferketten kennen. Es gibt Unternehmen, die die Arbeitsbedingungen ihrer Zulieferer genau im Blick haben, aber die sind rar gesät. Die einzige Chance für Verbraucher sind Siegel, mit dem Unternehmen kommunizieren: Ja, uns ist das wichtig, und wir kontrollieren das auch. Bei Tiefkühlprodukten sind das nicht viele.
Zum Beispiel?
Gross: Mir fällt beim Tiefkühl-Fisch zum Beispiel die Marke Followfish ein. Deren Nachhaltigkeitsanspruch bezieht sich nicht nur auf die reine Fischerei, sondern auch auf die Arbeitsbedingungen auf den Flotten - bisher ist aber noch nicht klar, inwieweit das schon gelungen ist. Auch das Label Proplanet der Rewe-Kette umfasst Arbeitsbedingungen. Dann haben wir noch das Naturland- und das Naturland-fair-Siegel, die sich auch in der Kühltheke finden und sehr umfangreiche Sozialstandards für Zulieferer in der ganzen Welt haben.
Was garantieren mir diese Siegel denn?
Gross: Sie schauen zum Beispiel auf Arbeitssicherheit, auf Löhne und medizinische Absicherung. Es gibt vereinbarte Ruhe- und Urlaubszeiten und Maßnahmen im Gesundheitsschutz, wie zum Beispiel feste Schuhe auf dem Deck.
Und darauf kann man sich als Käufer auch verlassen?
Gross: Würde ich schon sagen. Es gibt nichts Besseres im Moment. Aber die Siegel sind keine Gewähr gegen Betrug. Handel mit falschen Zertifikaten ist immer noch möglich. Nichtsdestotrotz ist ein funktionierendes Siegelsystem ein sehr starkes Kontrollinstrument.
In der Kühltheke sind Gütesiegel noch rar gesät. Woran liegt das eigentlich?
Gross: An den unterschiedlichen Produkten. Wir finden in der Kühltheke Gemüse, Fisch, Kartoffelprodukte und Fertiggerichte. Aber die sozialen Ansprüche an die Arbeitssicherheit derer, die die Produkte herstellen oder bei den Zulieferern arbeiten, bilden sowieso nur sehr wenige Siegel ab. Die Masse im Lebensmittelhandel bildet Umwelt- und besondere Qualitätsansprüche ab.
Und wenn ich blind in die Kühltruhe greife, muss ich dann davon ausgehen, dass ich damit schlechte Arbeit und Ausbeutung unterstütze?
Gross: Sie können dann davon ausgehen, dass Sie nichts darüber wissen. Das ist die einzige Sicherheit, die Sie haben. Das Einzige sind eben die Siegel. Allerdings muss der Verbraucher in der Produktpalette erst einmal darauf achten wollen und dann danach suchen. Es gibt eben noch kein „Gut-zu-Menschen-Regal“, wie es schon Bio-Regale gibt. Die Arbeitsbedingungen sind unglaublich schwer zu kontrollieren, weil die Zulieferer zum Teil oft gewechselt werden. Und das Bewusstsein für das Problem wächst erst langsam - auf Seiten der Unternehmen wie bei den Verbrauchern.
Wie sieht es abseits der Tiefkühlprodukte bei Gütesiegeln für faire Arbeit aus? Woran kann ich mich orientieren?
Gross: Sicherlich am Fairtrade-Siegel. Im Tiefkühlfach finden Sie das zwar nur beim Speiseeis, weil Kakao und Zucker aus fairem Handel kommen. Dafür gibt es Bananen, Kaffee, Tee, Kakao, Knabberprodukte wie Nüsse, Trockenfrüchte, auch schon einiges an verarbeiteten Produkten mit Fairtrade-Siegel. Das Kerngeschäft von Fairtrade ist die Verbesserung der Lebensbedingungen für die, die die Rohstoffe herstellen.
Ansonsten sind noch die Siegel der ökologischen Anbauverbände wichtig, die inzwischen alle auch mehr oder weniger soziale Standards etabliert haben, wie Naturland, Bioland oder Demeter. Dann gibt es noch UTZ certified und die Rainforest Alliance, die über Umwege an der Verbesserung der Lebensumstände der Menschen arbeiten, indem sie die Produzenten wirtschaftlich erfolgreich machen. Faire Arbeitsbedingungen stehen dort aber nicht im Mittelpunkt, sondern werden als Wirkung nachhaltiger Produktion betrachtet.