Stammzellen spenden und Leben retten
Ein gesunder Mensch kann als Spender einem Blutkrebspatienten eine Perspektive geben. Entnahme in 80 Prozent der Fälle ambulant.
Köln. Was man kennt, sind die Aufrufe: Verzweifelte Eltern, die nach einem Spender suchen für ihr krankes Kind. Oder Menschen, die selbst um ihr Leben kämpfen. Dahinter stehen Patienten mit Blutkrebs. Ihre letzte Hoffnung ist häufig ein gesunder Mensch, der bereit ist, Stammzellen zu spenden. Das hört sich nach einem komplizierten Unterfangen an, doch die Spende erfolgt in 80 Prozent der Fälle ambulant, sagt Julia Runge von der DKMS, einer Organisation, die sich weltweit für Blutkrebspatienten einsetzt. Nur in etwa 20 Prozent der Fälle kommt eine Stammzellspende nicht infrage. Dann gibt der Spender etwas von seinem Knochenmark her.
Das Knochenmark ist für die Blutbildung im Körper zuständig. Es bildet ständig neue Blutstammzellen, denn für die abgebauten Blutzellen muss Ersatz her. Sobald die neuen Blutzellen reif sind, treten sie aus dem Knochenmark in die Blutbahn über. So bleibt das durch den Körper fließende Blut immer frisch. Bei Blutkrebspatienten ist die Blutbildung gestört. Bösartige Blutzellen vermehren sich unkontrolliert. Sie müssen mit einer Therapie zerstört werden.
Gleichzeitig gilt es zu verhindern, dass sich neue kranke Blutzellen bilden. Blutkrebspatienten benötigen also entweder neues Knochenmark oder Blutstammzellen von einem gesunden Menschen, allerdings nicht von irgendjemandem. Bestimmte Gewebemerkmale von Spender und Empfänger müssen übereinstimmen. Die Chancen, einen passenden Spender zu finden, liegen zwischen eins zu 20000 und eins zu mehreren Millionen. Je mehr Gesunde sich registrieren lassen, desto eher findet sich ein Spender. Die Vorstellung, ein Leben retten zu können, ist für viele ein Ansporn. Infrage kommt aber nur, wer zwischen 18 und 55 Jahre alt ist, sagt Christina Auffenberg von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. Der Spender darf nicht weniger als 50 Kilogramm wiegen, aber auch nicht übergewichtig sein. Weitere Ausschlussgründe sind Krankheiten wie etwa Krebs, HIV oder Diabetes.
Benötigt ein Patient Knochenmark oder Stammzellen, wendet sich der Arzt an das Zentrale Knochenmarkspender-Register (ZKRD) und übermittelt die Gewebemerkmale des Kranken. Dann werden die Daten mit jenen von registrierten Spendern abgeglichen. Findet sich ein potenzieller Spender, bekommt der einen Gesundheitsfragebogen zugeschickt. Das passiert übrigens nur bei rund einem Prozent aller registrierten Spender. Spricht gesundheitlich nichts gegen eine Spende, werden die Gewerbemerkmale des Spenders noch einmal analysiert, dieses Mal über eine Blutprobe. Das Blut kann zum Beispiel der Hausarzt abnehmen. Es wird auch auf HIV oder Hepatitisviren untersucht. Erst dann fällt die Entscheidung, ob der passende Spender für den Kranken gefunden ist.
Nun gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder entnehmen Ärzte dem Spender operativ Knochenmark aus dem Beckenknochen oder der Spender stellt Blutstammzellen zur Verfügung. Die Risiken für den Spender sind in beiden Fällen nicht sehr groß. Bei der Knochenmarkspende ist es vergleichbar mit anderen Routineeingriffen unter Narkose. Für die Blutstammzellspende muss sich der Spender fünf Tage lang zweimal täglich selbst ein Medikament spritzen. Es regt die Produktion von Blutstammzellen an und sorgt dafür, dass diese in das periphere Blut ausgeschwemmt werden. Durch das Präparat kann es zu grippeähnlichen Symptomen kommen, negative Langzeitfolgen sind nicht bekannt. Bei der Spende selbst wird der Spender an eine Art Maschine angeschlossen, den Zellseparator.
Sowohl Knochenmark als auch Stammzellen bilden sich beim Spender in kürzester Zeit wieder nach. Sobald das Knochenmark oder die Stammzellen beim Spender entnommen wurden, wird das Material per Eil-Kurier, gegebenenfalls auch mit dem Flugzeug, zum Empfänger gebracht. Für den Spender entstehen keine Kosten. Er ist für die Zeit der Spende über die Spenderdatei unfallversichert. An den Arbeitgeber ergeht über die Spenderdatei die Bitte, den Beschäftigten freizustellen. Geld erhält der Spender nicht — aber das gute Gefühl, einem Patienten eine neue Lebensperspektive zu bieten.