Tabakkonsum: Lungenkrebs bei Frauen nimmt weiter zu
Heidelberg (dpa) - Viele Frauen fürchten sich bei der Vorstellung, an Brustkrebs zu erkranken. Medizinern bereitet allerdings eine andere Krankheit viel größere Sorgen: Lungenkrebs nimmt bei Frauen zu - in Industriestaaten sterben sie heute häufiger daran als an bösartigen Brusttumoren.
Krebsforscher sehen den zentralen Risikofaktor im Rauchen. „Während bei Männern der Nikotinkonsum langsam abfällt, nimmt er bei Frauen zu“, sagt der Chefarzt der Abteilung Onkologie an der Thoraxklinik-Heidelberg, Michael Thomas. Auf die Folgen dieses Lasters macht auch der Weltnichtrauchertag am 31. Mai aufmerksam.
Das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg (DKFZ) schlägt ebenfalls Alarm. „Die Frauen, die zwischen 1935 und 1960 geboren wurden, haben im Rauchverhalten einen enormen Schub nach oben getan“, sagt die Leiterin der DKFZ-Stabsstelle Krebsprävention, Martina Pötschke-Langer. „Das sind die Frauen, die jetzt die tabakbedingten Erkrankungen bekommen - die Hälfte eines Jahrgangs davon hat regelmäßig im Leben geraucht.“
Laut einem Bericht von Wissenschaftlern anlässlich des Weltkrebstages (American Cancer Society und International Agency for Research on Cancer) starben 2012 in den Industrieländern rund 210 000 Frauen an Lungenkrebs. Bei Brustkrebs waren es etwa 198 000 Tote. Bei Männern steht sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern Lungenkrebs an der Spitze der Statistik. „Die Frauen lagen beim Rauchen zwar immer hinter den Männern, haben sich ihnen aber immer weiter angenähert“, sagt Pötschke-Langer.
Frauen seien nicht etwa zu uneinsichtig, um mit dem Rauchen aufzuhören. „Männer sind möglicherweise konsequenter als Frauen, wenn sie einmal eine Entscheidung getroffen haben. Es könnte aber auch sein, dass Frauen das Rauchen als Regulativ benutzen, um ihr Gewicht zu kontrollieren.“ Eine große Rolle spiele bei Frauen auch die psychologische Abhängigkeit: „Rauchen wird verbunden mit bestimmten Situationen, zum Beispiel Pause machen, sich entspannen, mit Freundinnen zusammensitzen.“
Lungenspezialist Thomas erläutert, dass Raucherinnen zudem wegen ihrer hormonellen Situation ein zwei- bis dreimal höheres Lungenkrebsrisiko haben als Raucher.
Zwar fangen heute dem DKFZ zufolge deutlich weniger Mädchen mit dem Rauchen an als früher, aber die Frauen mittleren Alters bereiten den Wissenschaftlern Sorge: Bei den 25- bis 69-Jährigen sei das Rauchverhalten sehr stabil - es liege bei etwa einem Drittel. Eine Trendwende hält Pötschke-Langer - bei optimistischer Schätzung - erst in 20 Jahren für möglich. „Die Lungenkrebssterblichkeit wird mit Sicherheit im nächsten Jahrzehnt bei den Frauen noch weiter ansteigen, weil jetzt auch die geburtenstarken Jahrgänge dazukommen.“
Während die Wissenschaft bei Brustkrebstherapien Erfolge verbucht, ist sie beim Lungenkrebs noch nicht so weit. Pötschke-Langer: „Beim Lungenkrebs kommen die Beschwerden sehr spät, auch die Diagnose wird meistens zu spät gestellt.“ Langfristig überlebt Thomas zufolge nur eine von fünf Frauen die Krankheit. „Wenn der Lungenkrebs in einem sehr frühen Stadium erkannt wird, hat man eine Chance von bis zu 70 Prozent, die Patienten zu heilen.“ Doch die Krankheit bleibe lange unauffällig und führe erst relativ spät zu Schmerzen.
Um die Lungenkrebssterblichkeit zu senken, fordert Pötschke-Langer umfassende Gesetzesänderungen, etwa ein Verbot von Tabakwerbung. „Sie ist in Deutschland immer noch das große Problem“, sagt die Forscherin. „Frauen werden Zigaretten besonders durch spezielle Zusatzstoffe schmackhaft gemacht. Bei bestimmten Marken ist auch das Produktdesign sehr weiblich, zum Beispiel bei Mentholzigaretten oder bei der ganzen Palette der ehemalig als „light“ bezeichneten Zigaretten.“
Für sehr wirksam hält Pötschke-Langer Steuererhöhungen. „Am besten sollte die Tabaksteuer in großen Schritten noch einmal richtig stark erhöht werden“, sagt sie. Bei Mädchen seien so schon Erfolge erzielt worden: „Dass weniger junge Frauen rauchen, führen wir auf die drastisch erhöhte Tabaksteuer vor zehn Jahren zurück und auf die Nichtraucherschutzgesetze sowie die öffentliche Debatte um die Gefahren - darauf lassen sich Mädchen stärker ein.“
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