Tausend Stromschläge: Kalkschulter kann höllisch wehtun
Hof (dpa/tmn) - Sabine Hübsch sitzt vor dem Fernseher und will ihren Feierabend genießen. Doch dann - ein Gefühl, als steche ihr jemand mit einem Messer in die Schulter. Oder als verpasse ihr jemand mit einem Elektroschocker tausende Stromschläge.
„Mit einem leicht hämmernden, ziehenden Schmerz fing es an. Innerhalb weniger Minuten wurde er stärker und stärker“, erzählt sie. Auch in den nächsten Tagen kam dieser Schmerz wieder. „In immer kürzeren Abständen, bis ich es nicht mehr aushielt.“ Schließlich ging Hübsch zu ihrem Orthopäden und wurde geröntgt. Ursache für ihre Schmerzen war eine Kalkschulter.
„Bei einer Kalkschulter ist nicht das Schultergelenk selbst betroffen, sondern es kommt zu Kalkeinlagerungen in den umgebenden Schultersehnen“, erklärt Prof. Klaus Fritsch, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie aus Bayreuth. Häufig befinden sich die Kalkdepots in der sogenannten Rotatorenmanschette. Vor allem nachts und bei Über-Kopf-Bewegungen wie Gardinen aufhängen oder Glühbirnen einschrauben klagen Betroffene über Schmerzen, die flächig bis zum Oberarm und oft bis zum Ellbogen ausstrahlen.
In der Regel tritt eine Kalkschulter zwischen dem 35. und 50. Lebensjahr auf. Die Ursachen sind weitgehend unbekannt. Es wird vermutet, dass eine Mangeldurchblutung und damit ein Sauerstoffmangel in den Schultersehnen zu einer Umwandlung von Zellen führe, erläutert Prof. Ulrich Brunner von der Deutschen Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie in Würzburg. „Kalkdepots in den Schultersehnen müssen aber nicht zwangsläufig zu Beschwerden führen und erfordern in diesen Fällen auch keine Therapie.“
Auch wenn Beschwerden auftreten, machen sie sich über einen langen Zeitraum oft kaum bemerkbar. „Ganz plötzlich können aber auch massive Schmerzen auftreten, die bis zu zwei Wochen anhalten“, sagt Fritsch. In diesem Fall löst sich der Kalk von selbst auf, bricht dabei aus der Sehne heraus und dringt in den angrenzenden Schleimbeutel ein. Die Folge ist eine Schleimbeutelentzündung.
„Wenn die Schmerzen so akut sind, besteht die Therapie in der Regel aus entzündungshemmenden Medikamenten wie Ibuprofen oder Diclofenac“, sagt Fritsch. Lindern diese Medikamente die Schmerzen nicht, kann der Arzt stark wirksames Kortison in den Schleimbeutel spritzen.
Neben den Medikamenten ist auch eine Physiotherapie von Bedeutung, erklärt Prof. Sven Ostermeier von der Gelenk-Klinik Gundelfingen bei Freiburg im Breisgau. Schließlich können die Kalkdepots auch durch eine Operation, die Schulterarthroskopie, entfernt werden. „Das ist meist die letzte Option bei hartnäckigen Fällen, wenn alle anderen Therapien nicht das gewünschte Ergebnis gebracht haben“, sagt Ostermeier.
Bei einem Schlüsselloch-Verfahren werden zwei kleine Schnitte gesetzt, und der Kalk wird abgesaugt. „Ist die Kalkschulter erst einmal ausgeheilt, kommt sie in der Regel nicht wieder und bleibt für die meisten Betroffenen ein einmaliges Ereignis.“