Telefonaktion: Was tun gegen die Schmerzen?
Die Ratschläge unserer vier medizinischen Experten sind auf riesiges Leserinteresse gestoßen. Hier ihre wichtigsten Tipps und Hinweise.
Düsseldorf. Sehr konkret beschreibt der Anrufer seine Rückenschmerzen. Sagt, dass keine Therapie, kein Medikament ihm geholfen hat. Nach einigen Minuten spricht er es dann aus - das Problem hinter dem Problem: Im vergangenen Jahr sind seine Lebenspartnerin und sein Sohn gestorben. Der Fall, den Psychosomatikerin Susanne Kaufmann nach der zweistündigen Telefonaktion unserer Zeitung schildert, ist nicht der einzige, in dem hinter den von den Anrufern geschilderten körperlichen Schmerzen etwas ganz anderes steckt.
Noch ein weiteres Phänomen bestätigt Schmerztherapeut Thomas Cegla: "Vielfach war es gar nicht der Schmerzpatient selbst, sondern er hat seinen Partner mit den Fragen vorgeschickt." Die vier Fachleute, die an unseren Service-Telefonen saßen, verurteilen dieses Verhalten nicht, kennen es aus ihrer praktischen Erfahrung. "Der chronische Schmerz ist gesellschaftlich nicht anerkannt", weiß Susanne Kaufmann: "Wenn Brad Pitt im Film ein Messer im Bein hat - ja, den akuten Schmerz, den zeigt man. Aber einen Brad Pitt - mit Schmerzen im Bett liegend - will keiner sehen. Das ist nicht sexy."
Im Gegenteil: Der gesellschaftlich nicht anerkannte Schmerz vereinsamt. Vielfach will das Umfeld die Klagen nicht (mehr) hören. Umso stärker ermutigen die Mediziner die Patienten, "sich auf den Weg zu machen", wie es die Essener Neurologin Astrid Gendolla sagt. Und das heißt:Selbst die Initiative zu ergreifen, den Partner auch mal zu entlasten und den Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe (siehe Info-Kasten) zu suchen. Da lässt sich das Problem mit Menschen besprechen, die ähnliche Erfahrungen haben. Es werden Referenten zu Vorträgen geladen, die einem auch langfristig weiterhelfen.
Astrid Gendolla berichtet von einer Anruferin, die seit mehr als vier Monaten wegen Rückenproblemen krankgeschrieben ist. Ihr Rat: "Wenn es eben geht, so schnell wie möglich wieder arbeiten, um gar nicht erst in den unheilvollen Kreislauf zu geraten. Entspannen, bewegen, Muskelaufbau, auch die notwendigen Medikamente nehmen - aber bloß nicht hängen lassen und ins Bett legen", empfiehlt die Neurologin.
Dass die meisten Anrufer durchaus wissen, dass sie selbst initiativ werden müssen, und sei es "mit dem kleinen ersten Schritt, mal eine Entspannungs-CD zu hören", bestätigt auch Karin Laws. Die Düsseldorfer Schmerztherapeutin betont aber auch. "Die Menschen gehen nicht nur oft zu spät zum Spezialisten. Auch gibt es häufig Fehler bei der Medikamenteneinnahme. Aufgrund falscher ärztlicher Beratung oder aus Furcht vor Nebenwirkungen nehmen sie die Medikamente unterdosiert und verzweifeln, dass ihre Schmerzen bleiben."
Einen weiteren Teufelskreis beschreibt Astrid Gendolla: "Bei Migränepatienten ist die Sorge, wieder einen Migräneanfall zu bekommen, oftmals der Auslöser dafür, dass er tatsächlich eintritt." Hier müsse zweierlei getan werden: Eine gute Therapie, die dem Patienten die Sicherheit gibt, im Fall des Falles den Schmerz zu beherrschen. Und: Entspannungsübungen, die verhindern, dass es gar nicht mehr so weit kommt.
Dass es nicht genug Schmerztherapeuten gibt, beklagt Thomas Cegla. Der Wuppertaler Mediziner ermuntert die Patienten jedoch, ihre Ansprüche einzufordern. Der Experte berichtet von einem Anrufer, der nach einer orthopädischen Operation quasi allein gelassen wurde: "Keine Physiotherapie, schlechte Nachsorge." Dass da Schmerzen auftreten, wundert ihn nicht. Überhaupt, so betonen die Fachleute, ist frühes Gegensteuern wichtig, um eine "Chronifizierung" des Schmerzes zu vermeiden. Da müsse der Patient selbst Druck machen, Hilfe einfordern, aktiv mitarbeiten.