Arznei-Kompass für Senioren
Eine Wuppertaler Pharmakologin erstellte eine Liste von Medikamenten, die für ältere Menschen gefährlich sein können.
Wuppertal. In den USA gibt es sie bereits seit 1991, in Deutschland könnte sie künftig Standard-Nachschlagewerk in deutschen Hausarztpraxen und Apotheken sein: Die Rede ist von einer Liste mit Medikamenten, die für ältere Menschen potenziell gefährlich sind. Zusammengestellt wurden die Daten von der Wuppertaler Pharmakologin Petra Thürmann.
Thürmann ist Direktorin des Philipp Klee-Instituts für Klinische Pharmakologie am Helios Klinikum in Wuppertal und zugleich Professorin an der Privatuniversität Witten/Herdecke. In einer Studie ging sie mit ihren Mitarbeitern in den vergangenen zwei Jahren der Frage nach, ob die Medikamentenverordnung, deren Umfang mit dem Alter in der Regel deutlich steigt, auch immer sinnvoll ist. Denn alles was wirkt, kann Nebenwirkungen haben.
Laut einer Studie nehmen Menschen über 70Jahren mindestens drei Medikamente am Tag ein, bei 15 Prozent der Senioren sind es sogar mehr als 13. Dann kommt zum Blutverdünner beispielsweise der Blutdrucksenker hinzu, ein Herzmittel, eine Pille gegen Blasenschwäche und eine Arznei für den Magen, um den Pharma-Cocktail verträglich zu machen.
Viele dieser Medikamente haben aber Nebenwirkungen, die bei jungen Menschen verschmerzbar, für ältere Patienten aber hochproblematisch sind, wie Thürmann erklärt: "Bei einigen Antibiotika kann Schwindel auftreten, was grundsätzlich nicht gefährlich ist. Ältere Menschen fallen aber dann oftmals und brechen sich ein Bein oder die Hüfte."
Ähnliches gelte für Medikamente zur Entwässerung - Senioren müssten dann nachts oft heraus und seien in Gefahr, im Dunkeln zu fallen. Thürmann: "Auch Beeinträchtigungen der Gedächtnisfunktion durch Medikamente sind bei jungen Menschen kein Problem, Ältere sind dann sehr schnell sehr verwirrt."
Unter diesen Gesichtspunkten schauten sich die Pharmakologin und ihre Mitarbeiter Wirkstoffe an. Die US-Liste diente dabei als erste Grundlage. Aus 2000 bis 3000 Medikamenten wurde dann eine Vorauswahl von 131 möglicherweise bedenklichen Arzneimitteln für Ältere getroffen. Diese wiederum legte das Team um Thürmann 25 Fachleuten aus verschiedenen medizinischen Fachgebieten zur Bewertung vor.
Übrig geblieben sind 83Wirkstoffe, die "potenziell ungeeignet für alte Menschen sind", wie Thürmann sagt. Sie gehen quer durch alle Behandlungsgebiete. Allerdings gebe es einen Schwerpunkt bei Schmerzmitteln und Psychopharmaka - auch weil sie sehr häufig älteren Menschen verordnet würden.
Mit der deutschen "Beers-Liste" will Thürmann nun künftig insbesondere Hausärzte, aber auch Apotheker und Pflegekräfte für die Problematik sensibilisieren. "Wir bieten ihnen zum einen Alternativen zu möglicherweise gefährlichen Medikamenten an", erklärt sie.
Sollte ein problematisches Medikament nicht vermeidbar sein, dann erhalte der Arzt über die Liste konkrete Anleitungen, wie intensiv die betroffenen Senioren betreut werden müssen. "Wir sagen beispielsweise, in welchen Abständen die Leberwerte des Patienten überprüft werden müssen, um eintretende Nebenwirkungen rechtzeitig erkennen und gegensteuern zu können."
Mitte des Jahres starten Feldversuche mit der Medikamenten-Liste. Wann genau sie im alltäglichen Gebrauch sein wird, ist noch nicht absehbar.
Einen Namensvorschlag hat Thürmann aber schon: Priscus-Liste von lateinisch "altehrwürdig".