Umstrittene Diabetes-Tests
Institut mahnt an, dass es zu wenig Studien über die Selbstmessung gibt. Experte rät, trotzdem zu testen.
Düsseldorf. Diabetiker haben es nicht leicht. Hin und her gehen die Empfehlungen, wie sie mit ihrer Krankheit umgehen sollen. Aktuell sorgt eine Aussage des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) für Verwirrung: Das Institut sieht keinen Beleg dafür, dass Typ-2-Diabetiker, die ohne Insulin auskommen, von einer Zuckerselbstmessung profitieren.
Grund dafür sei die "unzureichende Studienlage": Es gebe zu wenige verwertbare Studien, und die Laufzeit sei mit maximal zwölf Monaten zu kurz. Zwar zeige sich, dass durch die Blutzuckerselbstmessung "die Senkung des Blutzuckers unterstützt wird", der Unterschied zur Kontrollgruppe ohne Selbstmessung sei jedoch "nur marginal".
Diabetologen, die manche Patienten mühsam von der Wichtigkeit der Blutzuckermessung überzeugen müssen, ärgert das. "Das IQWiG hat einen sehr hohen wissenschaftlichen Anspruch. Aber es gibt eben keine Studien, die diesen Nutzen klar beweisen", sagt Prof. Stephan Martin, Leiter des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums im Sana-Krankenhaus Düsseldorf-Gerresheim. "Denn eine Zuckerselbstmessung mit Urinstreifen oder eigener Blutabnahme kann man nicht wie bei Placebos so anlegen, dass Arzt und Versuchspersonen nicht wissen, wer welche Substanz erhält."
Die Blutzucker-Selbstmessung ist ein etablierter Standard in der Diabetes-Behandlung, und nach Ansicht von Stephan Martin wichtig nicht nur für Diabetiker, die Insulin spritzen, sondern eben auch für Zuckerkranke, die kein Insulin benötigen. "Die regelmäßige Blutzuckermessung hilft enorm dabei, sich zu motivieren", sagt Martin. "Man sieht sofort, wie schlecht es ist, zum Beispiel Weißbrot statt Vollkorn zu essen."
Mindestens die Hälfte aller Patienten mit einem neu diagnostizierten Diabetes könnte laut Martin Monate oder Jahre ohne Medikamente auskommen, wenn sie gesund essen, sich viel bewegen und konsequent ihren Blutzucker kontrollieren. Ohnehin sei die Behandlung der Typ-2-Diabetiker viel zu sehr auf die Insulintherapie ausgerichtet. Nicht-medikamentöse Therapieoptionen wie eine Ernährungsumstellung würden auch in den Disease-Management-Programmen der Krankenkassen kaum genutzt. "Mit Insulin sind die Blutzuckerwerte sofort gut, aber die Ursachen sind nicht behoben", kritisiert Martin.
Auch der Deutsche Diabetiker Bund kritisiert den Bericht: Es sei zu befürchten, dass die Blutzuckerteststreifen als Kassenleistung gestrichen werden könnten. Das sei wissenschaftlich nicht haltbar und werde zu einer Zunahme von Folgeschäden in den nächsten Jahren führen.