Screening: Hörschäden frühzeitig erkennen
Der Test für Neugeborene wird seit diesem Jahr von den Kassen gezahlt.
Düsseldorf. Seit knapp einem Jahr ist das Neugeborenen-Hörscreening eine Pflichtleistung der Gesetzlichen Krankenkassen. Der kostenlose Test soll zur gesunden Entwicklung des Kindes beitragen, indem Hörschäden so früh wie möglich erkannt und behandelt werden. "Schwerhörigkeit im Neugeborenenalter tritt bei ein bis zwei Kindern pro 1000 Geburten auf", sagt Prof. Thomas Lenarz von der Hals-Nasen-Ohrenklinik der Medizinischen Hochschule Hannover. "Bei Risikokindern liegt die Häufigkeit um bis zu 20-fach höher."
Unbehandelt hat eine Schwerhörigkeit weitreichende Folgen. "Eine Hörbeeinträchtigung wird ohne Screening oft erst im zweiten oder dritten Lebensjahr entdeckt", sagt Karin Radke-Harm, Leiterin der Abteilung für Phoniatrie und Pädaudiologie am Helios-Klinikum Krefeld. "Dann kann es für eine normale Sprachentwicklung aber schon zu spät sein." Denn das Hören ist eine elementare Voraussetzung für die Laut- und Sprachbildung: "Auch die intellektuelle, soziale und emotionale Entwicklung leiden."
Bekommen Kinder erst mit zwei bis vier Jahren ein Hörgerät, haben sie große Schwierigkeiten, die Defizite aufzuholen. Das Gehirn hat sich zu diesem Zeitpunkt schon ohne die Reize des Hörens weiterentwickelt.
Obwohl das Neugeborenen-Hörscreening seit dem 1. Januar 2009 zur gesetzlichen Kassenleistung geworden ist, fallen immer noch viele Kinder aus dem Netz. "Anscheinend wird das Screening noch nicht in allen Kliniken angeboten", sagt Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte. "Das Screening sollte zudem innerhalb der ersten drei Tage nach der Geburt stattfinden. Da haben aber schon viele Mütter die Klinik wieder verlassen."
Spätestens beim ersten Besuch des Kinderarztes sollte es auffallen, wenn es bislang kein Screening gab. "Wenn im Untersuchungsheft kein Vermerk ist, muss der Kinderarzt den Eltern Empfehlungen aussprechen, wo das Screening nachträglich gemacht werden kann."
Danach liegt es aber an den Eltern, sich zu kümmern. "Aufgrund der Datenschutzbestimmungen gibt es natürlich keine zentrale Stelle, die die Geburten mit den durchgeführten Screenings abgleicht", erklärt Lenarz. "In letzter Konsequenz tragen die Eltern die Verantwortung."
Sorgen, das Hörscreening würde das Baby belasten, brauchen Eltern nicht haben: "Die Untersuchung ist völlig harmlos und wird am besten durchgeführt, wenn das Kind schläft", erklärt Kinderarzt Hartmann. Das Kind bekommt einen kleinen Stöpsel ins Ohr gesteckt. Dieser sendet kurze akustische Reize ins Ohr und provoziert bei einem gesunden Ohr die sogenannten transitorisch evozierten otoakustischen Emissionen, kurz TEOAE. "Das Innenohr schickt Signale zurück, die wir dann messen können", sagt Radke-Harm.