Über 22 000 Masern-Fälle in Europa seit 2014 - mehr Patienten in Berlin

Kopenhagen/Berlin (dpa) - Mehr als 22 000 Menschen in sieben Ländern haben sich seit Januar 2014 in Europa mit Masern angesteckt.

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Das bedrohe das Ziel, die Krankheit auf dem Kontinent bis Ende dieses Jahres auszurotten, warnte das Europa-Büro der Weltgesundheitsorganisation (WHO) am Mittwoch in Kopenhagen. „Obwohl die Masern-Fälle von 2013 auf 2014 um 50 Prozent gesunken sind, gibt es immer noch große Ausbrüche.“ Auch in Berlin grassieren zurzeit die Masern; eine Behördenvertreterin rief zu Impfungen auf. An den Folgen der Krankheit war in der Hauptstadt ein kleiner Junge gestorben.

Mit knapp 7500 gab es die meisten registrierten Masern-Erkrankungen seit Januar 2014 in Kirgistan. Aus Bosnien und Herzegowina seien 5340 Fälle gemeldet worden, aus Russland und Georgien jeweils knapp 3300. In Italien steckten sich seit Anfang vergangenen Jahres knapp 1700 Menschen an. In Kasachstan wurden knapp 540 Erkrankungen erfasst.

In Berlin ist das Ende der aktuellen Masern-Welle noch nicht abzusehen: Die Zahl der Fälle stieg bis Mittwoch weiter auf insgesamt 609. Allein seit Wochenbeginn sind beim Landesamt für Gesundheit und Soziales über 40 neue Erkrankungen gemeldet worden. Insgesamt etwa jeder Vierte erkrankte so schwer, dass er ins Krankenhaus musste. Betroffen davon waren vor allem Erwachsene zwischen 20 und 45 Jahren. „Wir weisen weiter darauf hin, dass es unbedingt Sinn macht, sich noch impfen zu lassen“, sagte Silvia Kostner vom Landesamt.

Mehrere europäische Länder - darunter Bulgarien, Estland, Finnland und Serbien - kämpfen bereits mit einer Impfpflicht gegen Masern, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. In Kroatien und Serbien gibt es allerdings starke Widerstände gegen den dort bestehenden Impfzwang. Serbiens Gesundheitsminister Zlatibor Loncar warnte vor der längst medizinisch widerlegten Behauptung, Impfungen könnten zu Autismus führen. „Die Kampagne ist mächtig, es gibt eine Lobby in Serbien, die die Gesetze ändern will.“ In vielen anderen Staaten ist die Impfung freiwillig.

Deutsche Kinder- und Jugendärzte unterstrichen das Grundrecht von Kindern auf Impfung. Nach Auffassung der Vereinten Nationen gehöre der Schutz von Mädchen und Jungen vor schwerwiegenden Krankheiten durch Impfung zu den Grundrechten von Kindern. Wer seinem Kind bewusst den Impfschutz verweigere, handele nicht im Interesse des Kindeswohls, stellte der Präsident des Berufsverbands der Kinder und Jugendärzte (BVKJ), Wolfram Hartmann, in einer Mitteilung fest. Der Verband forderte nachhaltige Maßnahmen der Politik, um durch Impfung vermeidbare Erkrankungen „auch in Deutschland endlich auszurotten“.

Die Bundesregierung setzt trotz des Ausbruchs in Berlin vorerst auf Beratung. Auch Grüne und Linke im Bundestag hatten sich gegen eine Impfpflicht ausgesprochen. Bundesjustizminister Heiko Maas hält eine solche Maßnahme zwar für „rechtlich nicht ausgeschlossen“. Das sagte der SPD-Politiker der „Bild“-Zeitung (Mittwoch). Er sieht aber eine Impflicht als letztes mögliches Mittel. Ähnlich hatte sich zuvor Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) geäußert.