„Vom Winde verwöhnt“ - Erste reguläre Weinlese auf Sylt
Sylt (dpa/lno) - Weinlese an der Nordseeküste: Auf Sylt werden erstmals regulär Trauben geerntet. Der Wein soll kein Säuerling sein, denn die Insel wird von der Sonne verwöhnt. Besonders erfreut den Winzer aber der ständige Wind.
Bei strahlend blauem Himmel und begleitet von Möwenschreien hat am Sonntag auf Sylt die Traubenernte begonnen. Es sei die erste reguläre Weinlese im nördlichsten Weinanbaugebiet Deutschlands, sagt der Rheingauer Winzer Stefan Ress. Er hat vor vier Jahren auf der Nordseeinsel 3000 Quadratmeter mit Reben bepflanzt. Ress erwartet in diesem Jahr guten Weißwein mit einem Mostgewicht von etwa 80 Oechsle. „Wir werden keinen Säuerling ins Glas bringen“, versichert der Winzer.
Sonnenschein gibt es laut Ress seit jeher auf Sylt genug. Wichtig für den Weinanbau so hoch im Norden sei jedoch der Anstieg der Durchschnittstemperaturen. „Das Klima hat sich in den vergangenen 10, 15 Jahren zu unseren Gunsten entwickelt“, sagt der Winzer. Trotzdem hat Ress auf Sylt Reben der Sorte Solaris angepflanzt - eine Züchtung, die speziell an Standorte im hohen Norden angepasst ist. Die Trauben reifen sehr früh. Außerdem ist die Frucht pilzresistent.
Besonders freut den Rheingauer der ständige Wind an seinem neuen Weinberg. Dieser bläst meist von Westen, also vom Meer her, so dass Schädlinge gegen ihn ankämpfen müssten, wenn sie die neuen Reben auf der Insel erreichen wollen. „Es ist ein enormer Vorteil, dass wir auf Sylt keine Schädlingsbekämpfung durchführen mussten“, sagt Ress.
Schleswig-Holstein ist eines der flachsten Bundesländer und keine klassische Weinregion. Mit Ausnahme einiger Hobby-Winzer, die auf ihrer Süd-Terrasse schon immer eine Handvoll Reben für den eigenen Bedarf hegten und pflegten, kann der Norden auf keine lange Weintradition zurückblicken. Erst 2009 erhielt Schleswig-Holstein von Rheinland-Pfalz die für den Anbau von Wein erforderlichen Pflanzrechte. Seitdem dürfen nach Angaben des Bauernverbands zwischen Nord- und Ostsee Weinreben auf insgesamt zehn Hektar angebaut werden. Die Anbaufläche habe sich in den vergangenen Jahren nicht verändert, sagte Verbandssprecher Klaus Dahmke.
Wie auf Sylt bauen die Winzer auch im übrigen Schleswig-Holstein dem „Nord-Wetter“ angepasste robuste und pilzresistente Rebstöcke an. Unter anderem findet man hier die Rebsorten Muscaris (kräftiger Geschmack mit Muskat- und Zitrusaroma), Cabernet Cortis (kräftiger Rotwein, ähnlich wie Blauer Spätburgunder) und Regent (kräftiger, tiefroter Rotwein).
Außer dem „Weinberg“ von Ress findet man in Schleswig-Holstein Weinanbau unter anderem auf dem Ingenhof bei Bad Malente sowie auf dem Hof Altmühlen bei Grebin (Kreis Plön), dem Gut Deutsch-Nienhof bei Westensee (Kreis Rendsburg-Eckernförde) und auf den nordfriesischen Inseln Sylt und Föhr.
Bereits seit 1995 wird Wein auch in Hamburg angebaut. Die Trauben wachsen an 100 Rebstöcken direkt am Hafen oberhalb der Landungsbrücken. In diesem Jahr fällt die Lese allerdings komplett aus. Ein Pilz vernichtete sämtliche Trauben, wie der Stuttgarter Winzer Fritz Currle Ende September bei einem Besuch am Stintfang feststellte.