BSH-Chef: Smarte Küche rettet kein verbranntes Hühnchen
Berlin (dpa) - Die Vision einer smarten Küche, in der ein Kühlschrank weiß, welche Lebensmittel demnächst besorgt werden müssen, wird in der Elektronikbranche seit Jahren formuliert. Auf der IFA (Publikumstage: 4. bis 9. September) wurden in diesem Jahr viele umgesetzte Konzepte vorgestellt.
Der Chef von Europas größtem Haushaltselektronik-Hersteller BSH, Karsten Ottenberg, erklärt Möglichkeiten und Grenzen der schönen neuen Haushaltswelt:
Was bringt der Einsatz von digitalen oder vernetzten Geräten im Haushalt, die Sie auf derIFAauf den Ständen von Bosch und Siemens unter dem Motto „Home Connect“ präsentiert haben, den Kunden?
KarstenOttenberg: Wir streben einen konkreten Mehrwert für die Kunden an. Die neuen digitalen Produkte müssen sich sehr stark am analogen Leben der Menschen orientieren. Ein vernetztes Display kuriert kein verbranntes Hühnchen. Es kommt neben der Bedienung und zusätzlichen Möglichkeiten durch Vernetzung vor allem darauf an, was bei der ganzen Sache raus kommt, also ob die Wäsche sauber ist, ob etwas in der Küche dann auch gut gekocht ist. Der Mehrwert für den Kunden kann am einzelnen Gerät entstehen oder im gesamten Ablauf vom Kühlschrank über das Kochfeld oder den Herd bis hin zum Geschirrspüler. Dieser weiß dann, welches Spülprogramm er wählt, wenn beispielsweise besonders viel Eiweiß am Geschirr ist. Diese Information kann er vom Backofen erhalten, in dem zuvor ein entsprechendes Gericht zubereitet wurde.
Aber bieten moderne Küchengeräte nicht heute schon quasi alle denkbaren Optionen?
Ottenberg: Ein Besitzer eines modernen Geschirrspülers nutzt derzeit in der Regel nur 20 Prozent der Möglichkeiten, die das Gerät bietet. Wenn man dem Kunden mit einem guten, benutzerorientierten Dialog hilft, den Geschirrspüler für ein besseres Spülergebnis einzustellen, dann entsteht echter Mehrwert. Es geht also nicht nur darum, ein Gerät von der Ferne aus zu überwachen oder den Ein/Aus-Schalter zu betätigen. Wichtig ist auch, dass die Architektur sicher ist und die Verwendung der Daten für nützliche Anwendungen dem Kunden völlig transparent gemacht werden.
Kann man nur Geräte aus der BSH-Gruppe untereinander vernetzen, oder klappt das auch mit anderen Marken?
Ottenberg: Wenn man Geräte anderer Hersteller in unser Home Connect System einkoppeln möchte, müssen sich alle an ein paar Grundregeln halten. Man muss nicht unsere Hardware dafür verwenden, aber bestimmte Mechanismen zum Einkoppeln programmieren. Die anderen Hersteller können sich sowohl am Gerät selbst andocken oder aber auch in den Hintergrundsystemen für die App. Da führen wir derzeit Diskussionen mit anderen Firmen, auch mit Wettbewerbern.
Derzeit treten neben den Geräte-Herstellern auch US-Internetriesen wie Google oder Apple an, Lösungen für dasSmartHome zu entwickeln. Welches System hat die besten Chancen, sich am Markt durchzusetzen?
Ottenberg: Es werden Smart-Home-Systeme verschiedener Ausprägungen entstehen. Neben Angeboten wie HomeKit von Apple oder den Nest-Produkten von Google sehen wir auch einfache Systeme wie beispielsweise Iris von dem US-Unternehmen Lowe's. Wir selbst werden uns nicht um Garagentore oder Glühbirnen kümmern. Das machen andere. Wir sind die „Kitchen Guys“ und in Küche oder Keller unterwegs.
Werden die Verbraucher nicht auch integrierte Steuerungen haben wollen und beispielsweise Status-Informationen der Waschmaschine auch in einer zentralenAppfür dasSmartHome sehen wollen?
Ottenberg: Ja, deshalb sind wir auch bereit, Schnittstellen in unserem Back-end für Partner zu öffnen. Die Anwender müssen aber transparent erfahren, was mit ihren Daten passiert. Wenn ich einen vernetzten Wecker habe, der dafür sorgt, dass mit dem Klingeln auch schon die Kaffeemaschine anspringt, findet eine Kommunikation zwischen zwei Cloud-Systemen statt, von dem vielleicht eins in den USA betrieben wird. Und dass muss dem Kunden durch entsprechende Information klar sein.
Wie sehr wird aktuell das Geschäft von BSH durch die Wirtschaftskrisen in vielen Regionen der Welt beeinflusst?
Ottenberg: Wir sehen ein stabiles Europa und einen sehr solide wachsenden Markt in den USA. In China reduziert sich das rasante Wachstum der vergangenen Jahre momentan in die Richtung einer gesunden Normalisierung. Russland bietet dagegen derzeit ein schwieriges Umfeld. Der Markt dort ist deutlich zurückgegangen.
Zur Person: Karsten Ottenberg (54) ist Diplom-Physiker und promovierter Naturwissenschaftler. Bevor er 2013 die Leitung der Münchner BSH-Geschäftsführung übernahm, war er Chef des Münchner Hightech-Unternehmens Giesecke & Devrient. Zur BSH Hausgeräte GmbH, die seit Jahresanfang komplett zur Bosch-Gruppe gehört, werden Haushaltsgeräte unter den Marken Bosch, Siemens, Gaggenau, Neff, Constructa und weiteren Spezialmarken entwickelt und vertrieben.