Die Sesshaften - Umziehen in der Großstadt ist out
Berlin (dpa) - „Ich bin doch nicht blöd!“ - Wer noch einen günstigen Mietvertrag hat, bestellt in der Großstadt ungern den Möbelwagen. Immer weniger Mieter ziehen dort um. Warum das für Möbelpacker schlecht ist, aber Maklern wenig ausmacht.
Achim Dulitz kann die Leute ja verstehen. „Die überlegen sich fünfmal, ob sie einen alten Super-Mietvertrag aufgeben und umziehen.“ Aber genau davon lebt Dulitz: dass Menschen umziehen. In 14 Städten hat die Berliner Firma Zapf Umzüge Standorte. Das Kerngeschäft Privatumzüge lasse nach, sagt Vorstand Dulitz. „Das ist kein Berliner Problem, das ist bundesweit so“. Weil die Mieten stark gestiegen sind, ziehen in den Großstädten immer weniger Menschen um.
Bundesweit ist die Umzugsquote nach Angaben des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen gesunken. Besonders Großstädte und Ballungsräume sind betroffen. In Hamburg etwa ging die Quote binnen Jahresfrist von 7,9 auf 7,2 Prozent zurück. Wer am Biertisch von seinem günstigen Altmietvertrag erzählt, dem ist der Neid der zugezogenen Freunde sicher.
Innerhalb Berlins zogen 2013 ein Fünftel weniger Menschen um als zehn Jahre zuvor, wie aus dem Immobilienmarktbericht der Investitionsbank Berlin-Brandenburg hervorgeht. In den oft recht günstigen Landes- und Genossenschaftswohnungen wagte in manchen Innenstadtvierteln nur noch jeder zwanzigste den Umzug. Gerade für Geringverdiener scheint es unbezahlbar zu werden.
Sesshaftigkeit aus Mangel an Alternativen - der Deutsche Mieterbund hält davon nichts. „Es ist nicht wünschenswert, wenn die Leute in Wohnungen bleiben, die nicht mehr für sie geeignet sind, nur weil sie sich eine neue nicht leisten können“, sagt Sprecher Ulrich Ropertz.
Wenig Neubau, viel Zuzug - das hat die Mieten über Jahre getrieben. Die sieben größten Städte haben laut Bundesbauministerium insgesamt 330 000 Einwohner mehr als 2007. Allein Berlin wuchs im vergangenen Jahr um 48 000 Menschen, weil immer mehr in die Hauptstadt ziehen und weil es dort wieder mehr Geburten als Todesfälle gibt.
Zwar wird an vielen Ecken gebaut, doch die neuen Wohnungen sind für viele Mieter zu teuer. Die Baukosten in den meisten Städten lassen sich für Investoren nur mit Kaltmieten über zehn Euro je Quadratmeter refinanzieren. Wer noch einen günstigen alten Mietvertrag hat, bleibt und hofft, dass der Vermieter nicht erhöht.
Von einer uneingeschränkt positiven Wirkung des Baubooms könne keine Rede sein, klagte der Bundesverband Möbelspedition und Logistik schon im vergangenen Herbst. Mittlerweile gehe in Ballungsräumen nach fast jedem Auszug die Miete hoch, klagen die Umzugsunternehmer-Vertreter. In einigen Regionen führe das zu einer gewissen Immobilität.
„Wir spüren das seit eineinhalb, zwei Jahren“, sagt Zapf-Chef Dulitz. Sein Unternehmen hat deshalb andere Standbeine gestärkt, etwa Firmenumzüge und das Einlagern für Privatleute und Unternehmen. „Insgesamt stehen wir gut da“, betont Dulitz.
Miet-Transporter sind trotzdem gefragt. „Wir haben einen stetigen Zuwachs“, sagt etwa Ulrich Wientjes, dessen Wagen der blauen Robbe in Berlin zum Stadtbild gehören. „Wir haben ja auch Zuzug, Berlin ist so angesagt wie keine andere Stadt auf der Welt.“
Auch die Makler in den Großstädten stört es nicht besonders, dass weniger Mieter umziehen, wie es beim Immobilienverband Deutschland heißt. „Makler leben vor allem vom Verkauf“, sagt Sprecher Jürgen-Michael Schick.
Und da ist für die Branche in Zeiten niedriger Zinsen viel zu holen. In Städten mit über einer halben Million Einwohnern leben laut Landesbausparkassen inzwischen 22 Prozent der Bürger in den eigenen vier Wänden. Vor zehn Jahren waren es 18 Prozent. Auch die selbst gewählte Sesshaftigkeit nimmt zu.