Plüsch und Purismus Ein Ausblick auf die Möbelmesse IMM in Köln
Köln (dpa/tmn) - Geht es nach Ursula Geismann, wird es kein Entweder-Oder geben. Es werden 2017 „Plüsch und Purismus“ zusammen im Wohnzimmer stehen. Seite an Seite der Stahlrohrstuhl mit glatter Schale und das Barocksofa mit weichen Rundungen und flauschigen Stoffen - und das unter dem goldenen Lüster.
Die Trendexpertin der deutschen Einrichtungsbranche hat sich die bereits bekannten Neuheiten der Internationalen Möbelmesse IMM 2017 in Köln (16. bis 22. Januar) angesehen und erwartet als großen neuen Trend des Jahres eine Fusion von gemütlichem Kitsch und der Nüchternheit des Bauhauses. Doch warum ist das jetzt im Trend? Dazu muss man drei Fragen stellen.
Erstens, warum ist ausgerechnet Plüschiges und Schnörkeliges im Trend, das aus den Sissi-Filmen bekannte Mobiliar, das leicht sogar an die Grenzen zum Kitschigen stößt? Selbst wenn der samtige Bezugsstoff heute wilde moderne Muster trägt.
Die Antwort: Weil wir die Formsprache als angenehm empfinden, wie Geismann erklärt. Sie ist Sprecherin des Verbandes der Deutschen Möbelindustrie in Bad Honnef bei Bonn. „Weil wir damit Wärme und Gemütlichkeit assoziieren.“ Und danach sehnten sich die Menschen derzeit stark.
Denn Trends basieren schließlich darauf, was die Menschen gerade tief in ihrem Inneren anspricht. Die Industrie greift das auf und bietet das zur Stimmung der Gesellschaft passende Produkt an. Derzeit sei das unter anderem die Sehnsucht nach Sicherheit und der Rückzug ins Zuhause, so Geismann.
Und doch verraten Branchenexperten, dass viele Hersteller im Jahr 2017 auch auf einen sehr nüchternen, reduzierten Wohnstil setzen werden, etwa im Stil des Bauhauses - das Gegenteil von Plüsch. Also stellt sich hier die zweite Frage: Warum ist denn derzeit der Purismus so gefragt? Die Antwort: Weil er auch dem Zeitgeist entspricht und ein weiteres Bedürfnis der Menschen erfüllt.
Seit einigen Saisons schon beziehen Designer viele ihrer Ideen aus der Vergangenheit, lassen alte Formen wieder aufleben. Als Folge des Verkauferfolgs bedienen sich die Firmen nun an der Produktpalette der 1920er und 1930er Jahren, und darin vornehmlich dem Bauhausstil.
„Es geht zurück in die Zeit vor dem Internet“, erklärt die Trendanalystin die Rückwärtsrolle der Branche, die schon seit einigen Jahren anhält .Zwar ist der Sprung ab Beginn der Massenverbreitung des Internets um 1996 bis in eine Stilwelt komplett ohne Digitalisierung um die 1920er Jahre ziemlich groß, doch man muss es symbolisch verstehen: Es geht zu Hause optisch in eine Welt ohne die moderne Hektik und die Schnelligkeit der neuen Medien.
Bleibt die dritte Frage: Warum beides - Plüsch und Purismus nebeneinander? Die Antwort: Weil man kann. Weil man auf eines der beiden nicht verzichten will. Weil einem beide Stile aus der Seele sprechen. Aber es gilt auch: Wer eben nicht darauf steht, wählt dann doch nur eine Richtung aus, oder er lässt beides ganz weg.
Dieses „Weil man kann“ - das ist eigentlich gerade die Antwort auf jede Trendsuche. Denn der im Moment über allem schwebende Mega-Trend der Möbelbranche ist die Individualisierung. Alles ist möglich. Und jeder macht in seiner Wohnung sowieso, was er eben will. „Wir können daher auch nicht mehr von dem einen großen Trend für das Jahr sprechen“, sagt Geismann. Das hört auch nicht bei Plüsch und oder Purismus auf.
Gerd Müller-Thomkins vom Deutschen Mode-Institut in Köln stellt sogar fest, dass für die Bekleidung kaum noch ein Trend vergeht, sondern es kommt immer nur noch einer dazu, während das Bekannte erhalten bleibt. „In der Möbelbranche ist das nicht viel anders.“
IMM-Sprecher Markus Majerus bestätigt das: „Wir haben vor Jahren schon mit dem Cocooning und Homing angefangen“ - beides Schlagwörter für den Rückzug in ein immer gemütlicheres und mit mehr Bedacht eingerichtetes Zuhause. „Und wenn wir ehrlich sind, das zieht sich bis jetzt durch.“ Auch die Digitalisierung setzt sich fort, besonders in der Küche.
Service:
Für die Öffentlichkeit ist die IMM Cologne vom 20. bis 22. Januar jeweils von 9.00 bis 18.00 Uhr beziehungsweise am Sonntag von 9.00 bis 17.00 Uhr geöffnet. Vom 16. bis 19. Januar haben nur Fachbesucher Zutritt.