Im Netz gefunden: Historische Baustoffe fürs Eigenheim

Zell/Mosel (dpa/tmn) - Wer ein neues Haus baut oder ein altes renoviert, muss dazu nicht neue Bauteile einsetzen. Die Suche nach alten Türen, Holzbohlen oder Fliesen dauert zwar, die gebrauchten Fundstücke sind aber preiswerter als Neuware - und bieten einen Hauch von Geschichte.

Die Eingangstreppe hat er aus Dresden. Aus Belgien, Frankreich und Polen alte Sandsteinwände und Fliesen aus französischen Schlössern. Und nachweislich, so der Hausherr, ist durch eine seiner alten Türen bereits der Dichter und Denker Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) geschritten. Da weht mehr als ein Hauch der Geschichte zwischen den Wänden.

Das Gebäude steht in Zell an der Mosel. Ganz fertig soll es Ende 2011 sein. Hermann-Josef Simonis ist ein ungewöhnlicher Bauherr. Seiner Art zu bauen werden nur wenige folgen können und wollen. Denn der Arzt hat sich über Versteigerungsplattformen europaweit historische Baustoffe zusammengesucht und seinen Architekten beauftragt, damit sein Traumhaus zu planen.

Typischerweise sucht ein Bauherr über diese Börsen ein einzelnes Schmuckstücke für sein neues Haus oder ein Ersatzteil für ein altes Gebäude: eine alte Eingangstür, von der Zeit gezeichnete Holzdielen, schmückende Fliesen oder Torbögen aus Fachwerkhäusern, seltene Dachziegel. Das Internet hat diese Suche in den letzten Jahren vereinfacht. Das Netz bringt Anbieter und Suchende mit einem Klick zueinander.

„Seit Jahren wächst das Angebot auf unserer Plattform“, sagt etwa Andrea Weiß von der Bauteilebörse Bremen. „Entstanden sind wir aus der Tradition des 'Bremer Hauses'. Bei dieser Bauart gleichen sich Formate wie Zementfliesen und Fußböden. Das sorgt immer wieder für Nachfrage.“ Die Ingenieurin bestätigt einen Trend, den der Bauherr Hermann-Josef Simonis zugleich beklagt: Denn die Nachfrage lasse die Preise steigen, und es werde schwieriger, besondere Stücke zu finden.

Hinzu kommt, dass im klassischen Baustoffhandel historische Baustoffe keine Rolle spielen. „Die Umsätze in Deutschland mit historischen Baustoffen bewegen sich im Prozent-, wenn nicht sogar im Promille-Bereich“, sagt Michael Hölker, Hauptgeschäftsführer vom Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel.

Doch die teils lange, aufwendige Suche lohnt sich trotz steigender Preise immer noch: „Eine robuste alte Tür kostet bei uns zwischen 200 und 240 Euro, beim Tischler bezahlen Sie locker 1200 Euro“, sagt Weiß.

Neidvoll schauen die Betreiber der Bauteilbörse aber nach Holland und in die Schweiz. In Deutschland sieht das Abfallwirtschaftsgesetz die Trennung von Rohstoffen vor, es fehlt aber der Zwang zur Wiederverwertung. „Das ist in unseren Nachbarländern ganz anders. In Holland zum Beispiel sind die Abrissunternehmen verpflichtet, ein Lager zu halten und zu handeln.“ Und nach Weiß' Beobachtung ist auch in der Schweiz das Verhältnis zu alten Bauteilen viel positiver: „Bei uns gilt ja oft, was alt ist, hat einen Makel. Darüber schütteln die Schweizer nur den Kopf.“

Liebhaber alter Baustoffe und Bauteile suchen diese sich auch aus ökologischen Gründen zusammen. Weiß nennt das die „graue Energie“: Alle Teile seien bereits einmal verbaut worden, hätten Transportwege hinter sich, und auch bei ihrem Abriss sei viel Energie verbraucht worden. Weiß ist daher der Ansicht: „Es ist einfach eine Schande, wenn diese Materialien auf der Müllkippe landen.“

Dieses ökologische Motiv bemerkt auch Christoph Freudenberg bei seinen Kunden und Händler-Kollegen. Der Geschäftsführer des Unternehmensverbandes Historische Baustoffe vertritt 26 Firmen, die mit alten Baustoffen handeln. Freudenberg nimmt Anfragen entgegen und verteilt diese an die Mitgliedsfirmen.

Freudenbergs Verband grenzt den Begriff „historische Baustoffe“ zeitlich genau ein: „1940 ist für uns die entscheiden Marke. In den Nachkriegsjahren wurde meist industrielle Massenware gefertigt. Deshalb konzentrieren wir uns bei unseren Produkten auf die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg.“ Gefragt seien vor allem Fußböden, Täfelungen und alte Haustüren. Oder Dachziegel mit regionalen Formen.

Zwei Probleme tauchen bei der Suche und dem Einbau der Stoffe immer wieder auf, berichtet der Experte aus seinen Erfahrungen: „Eine fantastische, alte Tür aus einem alten Schwarzwaldhaus würden viele Bauherren ja gerne einbauen. Aber die Menschen sind einfach in den vergangenen Jahrhunderten größer geworden. Da passt niemand mehr durch.“ Auch für die Wärmedämmung der Gebäude seien viele Bauteile eher ungeeignet - „aber auch hier gibt es Lösungen“, sagt Freudenberg.