Möbel vom Schneider: Modedesigner richten ein

Köln/Rostock (dpa/tmn) - Die einen nutzen die Strahlkraft ihrer Marke, um neues Terrain zu erobern, die anderen ziehen ihren Wohnräumen das an, was auch sie gerne tragen: Wenn Modedesigner Möbel entwerfen und herausbringen, profitieren Händler und Verbraucher.

Wolfgang Joop fischt in einem fremden Teich: Für die Neuen Wiener Werkstätten entwarf er jüngst eine Möbelkollektion mit Hochlehner, Bett und Paravent. Für Galeria Kaufhof reicht er von Oktober an ein Porzellan-Service, Bettwäsche in japanischem Stil und Handtücher nach. Wer Sinn und Mittel dafür hat, kann sich daheim eine Einrichtungswelt nach Joop zusammenstellen.

Auch Esprit hat sein Sortiment auf Möbel und Wohnaccessoires ausgeweitet: Die Streifenoptik der Decken und Bettwäschen von „Esprit Home“ ist an die Mode angelehnt, die das Unternehmen im Kerngeschäft anbietet. Auch bei H&M findet man Gardinen, Kissen und Decken, deren Streifen-, Blumen- oder Blättermuster zu den Modekollektionen passen.

„Marketing ist ja nichts Schlimmes“, sagt Gerd Müller-Thomkins, Geschäftsführer des Deutschen Mode-Instituts (DMI) in Köln. Er findet es selbstverständlich, dass Hersteller die Reichweite ihrer Marken ausreizen wollen. „Mode ist ebenso Lifestyle wie Inneneinrichtung, und wenn eine ganze Palette von Lifestyles bedient werden kann, ist das natürlich ideal.“ So sieht das auch Peggy Kastl, Innenarchitektin in Rostock im Bund Deutscher Innenarchitekten (BDIA): „Wenn man die Kunden bereits zum Kleiderkauf im Laden hat, wird man auch versuchen, ihnen andere Dinge zu verkaufen.“

Die Anzahl der Labels, die dafür infrage kommen, sei aber beschränkt, meint Müller-Thomkins. Speziell der deutsche Markt hinke hinterher, und nur wenige besäßen ein so klares Profil, dass sie einen Stil glaubwürdig und authentisch vertreten könnten.

Die großen Designer aus Italien, Frankreich oder den USA bedienen das schon lange. Ein Blick in deren Kollektionen zeigt, wie ihre Mode- und Einrichtungslinien aufeinander abgestimmt sind: Die strenge Geometrie von Armanis Overall mit V-Ausschnitt korrespondiert mit den harten Faltenkanten eines Paravents, Versaces Leder-Ohrensessel mit einer Chiffonbluse und Plateaupumps. Etro bringt einen funkelnden Seidenrock mit einem floral bedruckten Hocker zusammen und Hermès hat Möbel und Kleidung gleichermaßen aus Leder in warmen Brauntönen.

Ralph Lauren setzt sich mit uramerikanischen Themen auseinander: Er entwarf eine Flickenjeans zum Baumwollhemd. Passend dazu bietet er einen Kuhfellteppich und einen Fledermausstuhl aus Leder und Leinen an, die an Cowboy-Pferdesättel und Rinderfarmen denken lassen.

Dass ein Modedesigner auch Möbel machen kann, wundert Kastl nicht: „Ein guter Gestalter ist oft eine Art Universaldesigner und als solcher in der Lage, Möbel ebenso wie Kleider zu entwerfen.“ Davon profitieren die Möbelhersteller, sagt Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie in Bad Honnef. „Die deutsche Möbelindustrie verfügt nicht über so große Markennamen wie die Auto- oder Modebranche. Da ist es natürlich ein Wettbewerbsvorteil, Lizenzpartnerschaften mit Modefirmen einzugehen und deren Bekanntheit zu nutzen.“

Wer aber kauft am Ende den Versace-Sessel und das Joop-Bett? Nur solvente Kenner, die ihre Identität über die jeweilige Marke definieren und sich einmal quer durch das Sortiment kaufen? „An diesen stilistischen Autismus glaube ich nicht“, sagt Trendexperte Müller-Thomkins. „Natürlich funktioniert ein Marken-Möbel auch wie eine Beruhigungspille über Namedropping, aber am Ende wird das Stück doch um seiner selbst willen gekauft.“

Peggy Kastl rät aber, auf Qualität und auf die Materialien zu achten - schließlich müssten die Möbelstücke anders als Klamotten mehr als eine Saison überstehen.