Strategien für Ordnung im Haushalt
Berlin (dpa/tmn) - Wer häufiger aufräumen möchte, sollte sich von einer Idee verabschieden: Überlisten kann man sich selbst dazu nicht. „Man kann sich ja auch nicht selbst kitzeln“, erklärt Prof. Lothar Seiwert, Experte für Zeitmanagement und Co-Autor des Buchs „Simplify your Life“.
„Man kann sein Unterbewusstsein schlecht austricksen, es weiß ja schon darüber Bescheid,“ so Seiwert. Das heißt: Wer mehr aufräumen will, muss einfach den inneren Schweinehund überwinden. Aber der ist nun mal ein fauler Kerl, der die Aufschieberitis perfektioniert hat. Die Lösung wäre also, den Schweinehund erst gar nicht in seine Lage zu bringen. Man sollte also der Unordnung vorbeugen. Denn hierbei kann man sich selbst durchaus austricksen, sagt Sabine Haag, Ordnungscoach und Bloggerin aus Mainz.
Ein Beispiel: Wenn man abends müde nach Hause kommt, stellt man die Tasche auf den Boden, wirft die Jacke und Mütze auf die Flurkommode. Auch Schlüssel, Kopfhörer und die Post landen dort. Haags Trick: Sie stellt hier für besonders unordentliche Menschen eine leere Box auf den Boden, in die all diese Dinge kommen. „Man darf noch immer alles von sich werfen, muss nichts aufwendig aufräumen“ - und doch landet all der Kram in einer ordentlichen Hülle. „Deckel zu - und gut ist.“
Oder: Man verbannt die Ablageflächen aus dem Flur. Denn fehlt es dort an Tischen, Regalen und Oberflächen von Kommoden, kann man auch nichts darauflegen. „Auf den Boden lässt man es nicht fallen“, davon ist Haag überzeugt. Folglich hängt man den Schlüssel ans Schlüsselbrett, räumt die Post auf den Schreibtisch und die Jacke an den Haken.
Dieser Trick hilft auch gegen Klamotten-Berge. Wer hat ihn nicht, den Stuhl oder Hocker im Schlafzimmer, auf dem Kleidung landet, die nicht mehr ganz frisch ist, aber auch noch nicht schmutzig genug für den Wäschekorb? Und damit schafft man sich selbst ein Aufräumproblem. Fehlt diese Ablagefläche, räumt man die Klamotten eher wieder in den Schrank ein, ist sich Haag sicher. Ein alternativer Vorschlag: „Wir haben einen Haken hinter der Tür für solche Kleidung.“
Allerdings haben solche Tricks eine beschränkte Reichweite. Denn: „Manchmal sammeln sich auch viele Dinge an, weil man glaubt sie noch einmal brauchen zu können. Und zwar mehr Dinge, als man ordentlich aufbewahren kann“, erklärt Ordnungscoach Rita Schilke aus Berlin. Wo kein Platz ist, ist auch kein Platz für Ordnung.
Daher ist Prof. Seiwerts banaler, aber eben bester Rat: einfach weniger besitzen und regelmäßig ausmisten. Doch das gelingt nicht jedem, oder nicht jeder will mit nur wenigen Dingen leben: „Der Mensch ist einfach ein Jäger und Sammler“, sagt der Lebensberater. Der Trick ist hier, zumindest die Größe des Besitzstands zu halten. „Kaufe ich ein neues Buch, gebe ich ein altes ab.“ Seine Empfehlung gilt vor allem für den Kleiderschrank. Denn: „20 Prozent meines Besitzes ziehe ich zu 80 Prozent an“, erklärt Seiwert. „Davon kann ich ableiten: Alles, was ich ein halbes Jahr nicht getragen habe, kann ich weggeben.“
Aber hier kommt das nächste Problem: Wo fange ich grundsätzlich mit dem Ausmisten an? Denn diese Strategie zu mehr Ordnung durch weniger Besitz bedeutet ja: Ich muss erst mal alles durchgehen, vieles aussortieren und neu ordnen. Bleiben wir realistisch: Woher die Zeit im Alltag dafür nehmen?
„Ich empfehle meinen Kunden als erstes, sich kleine, bewältigbare Ziele vorzunehmen - also nur eine Schublade, ein Schrankfach“, erklärt Schilke. „Dann sind Ergebnisse schnell sichtbar, und man ist motiviert für das nächste Vorhaben.“ Und die nächste Schublade muss auch nicht direkt am folgenden Tag angepackt werden.
Der Ordnungscoach rät dazu, sich spätestens alle drei Monate einen Termin zum Aufräumen vorzunehmen. Eingetragen wird dieser in den Kalender mit Datum und Uhrzeit - und so behandelt, als wäre es ein wichtiger Termin beim Zahnarzt oder Friseur. Man kann es sich dabei schön machen, vielleicht lädt man eine Freundin zum gemeinsamen Ausmisten ein. Die richtige Dosis ist auch wichtig bei der Länge: „Mehr als drei Stunden sollte man sich auf einmal nicht vornehmen“, empfiehlt Schilke.
Ist das Ausmisten geschafft, sollte man mal hinterfragen: Warum entsteht denn bei mir Unordnung? Wenn Gegenstände ihren festen Platz haben, ist Ordnung halten einfacher. Denn man legt sie dorthin, wo sie hingehören. Aber wenn man ein Ding immer wieder von einem Fleck an den nächsten räumt, kostet das Zeit - und irgendwann liegt es einfach irgendwo rum.
Die Lösung ist leichter als gedacht: Hier muss Raum und ein fester Platz geschaffen werden - ein Schlüsselbrett für die Schlüssel, ein Fach für die Gewürze im Küchenschrank und so weiter, empfiehlt Schilke. Und Haag rät dazu, viele Boxen in das Bücherregal oder die Schränke zu stellen: Da kann man diversen Kleinkram hineinwerfen - und er ist aus den Augen.
Das gilt für alle Dinge, die man nicht ständig um sich herum braucht. Haag gibt ein Beispiel: „Man ordnet das Büro neu, legt die Papiere an einen Platz, hat Dosen für die Stifte. Das sieht aber nur eine Woche lang gut aus. Weil man vergisst, dass man noch lebt.“ So holt man nach einiger Zeit etwa die Nähmaschine heraus und arbeitet daran - und so lange das Projekt eben dauert, liegen die dafür gebrauchten Sachen unordentlich herum. Oder man bastelt für den Kindergeburtstag, macht die Steuererklärung. Daher rät Haag, immer leere Boxen und feste Plätze für solche Projekte bereitzuhalten.
Aber letztlich darf man sich auch nichts vormachen: Aufräumen muss man einfach. Bei dieser Meinung bleiben alle Experten. Ordnungscoach Schilke gibt noch eine Empfehlung, an die sie sich selbst konsequent hält: Die Dinge an ihren Platz zurückzustellen, sobald man sie nicht mehr verwendet. „Mit dieser guten Gewohnheit schaffe ich es, dass meine Wohnung eigentlich immer aufgeräumt ist. Und es braucht nicht viel, sich dies wie das regelmäßige Zähneputzen anzugewöhnen.“ Aber sie ergänzt direkt: „Ein bisschen Disziplin gehört freilich dazu.“