„Upcycling“: Gebrauchtes Holz wird zum Designobjekt
Köln (dpa/tmn) - Es liegt einfach so rum beim Bauunternehmer. Oder auf einem Abfallberg am Strand. Oder verrottet im Moor: Abfallholz wird neuerdings zu Möbeln verarbeitet. Das Gute daran: Für diese Tische, Kommoden und Stühle musste heute kein Baum extra gefällt werden.
Die Lampe ist aus einer alten, vom Wasser beanspruchten Schiffsplanke, auf der Tischplatte trampelten mal Bauarbeiter in schwindelerregender Höhe herum, und am Material der Kommode fraßen sich Muscheln im Meer einst satt: Wertloses Bauholz, das keiner mehr braucht, holen sich Designbegeisterte für teuer Geld in den Wohnraum. „Upcycling“ nennen Branchenexperten diesen Trend.
Angelehnt sei der Begriff an „Recycling“, erläutert Markus Grossmann, Vertriebsleiter von Bauholz Design, das auf der Internationalen Möbelmesse IMM in Köln seine Stücke vorstellte. Beim Recycling wird das Material wiederverwertet, beim Upcycling werde ebenfalls altes Material noch einmal genutzt. Mitgeliefert wird noch eine spannende Herkunftsgeschichte.
Luna Design sammelt etwa auf einer Farm nördlich von Kapstadt altes Holz von Schiffsdecks, Fensterrahmen oder aussortierten Möbeln. Es wird getrocknet und dann zu Bilderrahmen weiterverarbeitet - jeder aus einer anderen Holzsorte, manche mit mehr, andere mit weniger Lackspuren aus dem früheren Leben. Bauholz Design nutzt das Holz von alten Baugerüsten. „Das Holz liegt bei Gerüstbauern in Deutschland einfach herum, wir sammeln es ein und verwerten es weiter“, erzählt Grossmann. So entstehen Tische oder Bücherregale.
Der italienische Hersteller Riva verwendet Pfähle, die jahrelang im Salzwasser der Lagune von Venedig von Weichtieren angefressen wurden. Die „Briccole“ zeigen hier die Ebbe an. Nach fünf bis zehn Jahren, erläutert das Unternehmen, ist das Eichenholz aber so korrodiert, dass es ausgetauscht werden muss - und etwa für Tische und Hocker im schicken Designlook verwendet werden kann. Riva ließ bekannte Designer eine Kollektion entwickeln.
„Die Menschen empfinden etwas Nostalgisches und Wertiges an diesen Hölzern“, erläutert Ursula Geismann vom Verband der Deutschen Möbelindustrie (VDM) in Bad Honnef bei Bonn. Aber natürlich spiele auch die Umwelt eine Rolle: „Werkstoffe werden nicht einfach weggeschmissen, sondern weiterverwendet.“
Doch nicht immer sei das Holz auch so alt, wie die Firmen es sagen. „Ich habe aber manchmal das Gefühl, dass nicht jedes Holz auch wirklich alt ist“, sagt Geismann. Aber Altes von Neuem, das auf alt getrimmt wurde, könne man nicht unterscheiden. Hier müsse ein Händler den Lebenslauf des Materials gut erläutern können.
Und das sei ja auch im Interesse der eigentlichen Zielgruppe, Designliebhaber und Möbelsammler. „Denn sind wir doch mal ehrlich“, sagt Nicolette Naumann, Bereichsleiterin der Messe Frankfurt für die Konsumgütermesse Ambiente, „die Materialien, die tatsächlich an Bauholz erinnern, das ist für eine sehr avantgardistische Zielgruppe. Das wird so nicht im Massenmarkt passieren.“
Massentauglicher seien da Hölzer, die weniger stark bearbeitet werden als bislang, oder gar absichtlich ein natürlicheres Aussehen bekämen, sagt Naumann. Der Trend zu diesem Mehr an Natur hat bereits seit einigen Saisons an Fahrt gewonnen: Die Oberflächen sind rau, also wie nicht geschliffen. Risse und Astlöcher werden teils künstlich nachgearbeitet. Oder man stellt sich einfach einen Holzklotz in den Raum: Vitamin Design hat etwa „Klotz“ im Angebot, ein aus einem Eichenstamm gehauenen Hocker.
Doch die Stücke haben einen Nachteil: Durch die rauen Oberflächen stehen Teller schief. In Rissen bleibt Staub leichter hängen. Und in den winzigen Löchern, gerade auf einem Esstisch, bleiben Essensreste haften. „Gerade mit Kindern machen diese Stücke wenig Sinn“, sagt Geismann daher. Es seien dann doch mehr Ausstellungsstücke.