Schnell und einfach rein Wie die Polizei beim Einbruchschutz hilft
Günzburg/Mainz (dpa/tmn) - Ralph Müller rüttelt kräftig mit beiden Händen an der schweren, verglasten Haustür. Sie bleibt zu. Kritisch inspiziert der Polizeihauptkommissar das Türschloss. Für den Experten ein erster Schwachpunkt.
Einbrecher ziehen die Haustür dem Fenster als Einstiegsmöglichkeit in ein Haus oft vor. Der Grund ist simpel: Die meisten Menschen lassen ihre Haustür beim Verlassen nur ins Schloss fallen. Solche Nachlässigkeiten erleichtern Einbrechern den Job ungemein.
Dabei sind Diebe nicht unbedingt auf der Jagd nach dem großen Schatz, weiß Müller aus Erfahrung. „Einbrecher suchen sich Haushalte aus, in die sie schnell und einfach reinkommen.“
Der Kriminalhauptkommissar ist seit Jahren Berater für Einbruchschutz im Polizeipräsidium Schwaben Süd/West, dessen Zuständigkeit von Neu-Ulm an Bayerns Grenze zu Baden-Württemberg bis ins Allgäu reicht. Rund 200 Haushalte besucht Müller im Jahr in seinem Gebiet - ein Service, den die Polizeibehörden kostenfrei im ganzen Bundesgebiet anbieten.
Zu seinen Besuchen kommt Müller unauffällig - ohne Polizeiauto und ohne Uniform. Jeder Besuch folgt dem gleichen Muster: Der Kriminalkommissar geht das ganze Haus und den Garten ab und legt dann schonungslos seinen Finger in jede Wunde.
Ortstermin in einem beschaulichen Dorf nahe Günzburg in Bayern. Das Haus, das der Polizist heute besucht, liegt nahe einer Autobahn - das heißt, es hat eine gute Anbindung, was Einbrecher Studien zufolge schätzen. Schnell hin, noch schneller wieder weg. Die Doppelhaushälfte stammt von 1985. Gut gepflegt von den Besitzern.
Müller fällt sofort die Terrassentür ins Auge - seinen Worten nach ein „super Oldtimer“. Das Hartholz sei nicht kaputt zu bekommen, sie schließt noch immer einwandfrei. „Doch wie auch bei einem Auto aus den 80ern ist heute nicht mehr alles auf dem Stand der aktuellen Sicherheitstechnik“, urteilt der Fachmann.
Für die Tür heißt das: „99,5 Prozent der Einbrecher wissen, dass es hier eine Rollenverzapfung und keine Pilzkopfverzapfung gibt“, erklärt Müller detailreich. Immerhin: Die Besitzer haben bereits ein sogenanntes Doppelflügelschloss auf den Rahmen gesetzt. „Das hält eine Tonne Last aus - gut“, so das Fazit des Experten.
Doch der Kriminalhauptkommissar ist nicht nur für den Gebäudeschutz hier. Er will auch deutlich machen, warum die Maßnahmen sinnvoll sind. Fragen wie „Was sollen die denn bei mir holen?“ hört er immer wieder. Und ältere Beratungskunden sagen gerne: „Was wollen Diebe denn bei einer alten Frau wie mir?“ Aber gestohlen wird überall - laut Studien vornehmlich Schmuck und Bargeld.
Gespräche zu Fragen wie diesen folgt in der Regel ein „Gärungsprozess“, wie Müller es nennt. Anfangs hinterfragen seine Kunden seine Hinweise. Und dann hinterfragen sie, warum sie überhaupt Hunderte von Euro investieren sollten, wenn nur ein bisschen Bargeld geklaut werde.
Zum einen, weil die Schaden an der aufgebrochenen Tür und an dem ausgehebelten Fenster ins Geld gehen. Laut einer Statistik des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) beträgt der Schaden im Durchschnitt 3250 Euro pro Fall.
Zum anderen hat jeder Einbruch eine psychologische Ebene: Einbrecher verletzen die Intimsphäre. Das Gefühl, ein behütetes Zuhause zu haben, kann verloren gehen. „Fühlte man sich vor dem Einbruch in den eigenen vier Wänden noch sicher, ist dies nach dem Einbruch oft nicht mehr der Fall“, sagt Carola Wacker-Meister vom Opferschutzverband Weisser Ring. „15 bis 20 Prozent aller Einbruchsopfer müssen mit langfristigen psychosomatischen Belastungen kämpfen.“
Müller spricht daher oft vom „Sicherheitsgefühl“ in seiner Beratung. Dieses Gefühl kann jeder selber stärken - durch Maßnahmen am eigenen Haus. So wie die Besitzer des Hauses in Günzburg. Schon vor Müllers Besuch tauschte das Ehepaar einen kaputten Türgriff im Kellereingang bewusst gegen einen sichereren Beschlag mit Zieh- und Bohrschutz aus. Das Türblatt ist aus Stahl und entsprechend schwer zu halten, nicht zu durchbrechen.
Doch was auf den ersten Blick stabil und sicher erscheint, fällt bei Müller durch. Der Kriminalkommissar rüttelt fest an der Tür und sagt: „Das hält nur an den zwei kleinen Klötzchen.“ Denn das Schloss der Brandschutztür ist eine sogenannte Vampirschließung. Hier wird die Falle, die bei geschlossener Tür ins Gegenstück ragt, nur von zwei Sicherheitszapfen umfasst.
Müllers Rat: „Ein John-Wayne-Riegel wie in den alten Western“, der innen quer über das ganze Türblatt gelegt werden kann. Die Tür lässt sich dann von außen nicht mehr öffnen. „Klar, wenn Sie mit Bierkästen vom Einkaufen kommen, müssen sie die halt erst abstellen, über die Haustür reingehen und die Tür von innen öffnen“, erläutert Müller den Hausbesitzern. „Aber das wäre mir die Sicherheit wert.“
Müller versucht bei seiner Beratung immer den Lebensalltag seiner Kunden im Blick zu behalten. Denn bei aller Absicherung: Wer schließt schon all die Schlösser und Riegel ab, wenn sie einen im Alltag nur behindern? Auch berät er neutral, macht nicht Werbung für einzelne Hersteller. Der Kriminalbeamte will nichts verkaufen und niemand überreden. Seine Aufgabe ist Aufklärung.
Ortswechsel: Gästetoilette. Das Fenster mit Rundbogen wirkt zu klein für einen Einstieg eines erwachsenen Mannes. Doch hebelt man es komplett aus, ist das kein Problem, sagt Müller. Dazu sind Rundbögen in der Regel nicht komplett mit Zapfen abgesichert.
Was tun?, fragt der Hausherr. Nachrüstbare Scharniere am Rundbogen wären eine Spezialanfertigung eines Schreiners - und entsprechend teuer. Auch empfiehlt der Kriminalbeamte hier nicht wie an anderen Fenstern extra Riegel. „Ich rate in Vorratskammer, Bad und Klo eigentlich immer zur Vergitterung der Fenster.“
Der Grund ist wieder die Alltagstauglichkeit: „Weil ich als vorbildlicher Klo-Benutzer hier immer das Fenster aufmache.“ Und dann wird es vergessen beim Verlassen des Hauses. Einbrecher haben manchmal solch ein Glück.
Service:
Kostenlose Einbruchschutzberatungen der Polizei gibt es bundesweit bei rund 300 Anlaufstellen. Diese findet sich unter www.k-einbruch.de oder www.polizei-beratung.de/opferinformationen/beratungsstellensuche/. Es kann Wartelisten für die Termine geben.