Wohnen mit Schwung - Comeback der Möbel aus den 50ern

Stuttgart/Mailand (dpa/tmn) - Nierentische, Tütenlampen und zierliche Polstersessel sind der Inbegriff des Designs aus den 50er Jahren. Klassiker dieser Zeit sind derzeit wieder beliebt. Und einige Entwürfe von damals gehen jetzt erst in Produktion.

Es war das erste Jahrzehnt nach dem Krieg und der Zerstörung. Die Menschen sehnten sich in den 50er Jahren nach stabiler Sicherheit, Glück und Zufriedenheit. Ein Gefühl, das heute viele nachvollziehen können. Die Möbel von damals und Neuinterpretation des 50er-Jahre-Designs sind daher wieder sehr gefragt. Denn die bauchigen, runden Formen der Möbel vermitteln ein Gefühl von Heimeligkeit und Geborgenheit.

Im Möbelhandel sieht man vor allem zierliche Polstersessel sowie Nieren- oder Dreieckstische. Die Leuchten haben geschwungene Schirme wie bei Axo Light oder bewegliche Leuchtenarme mit Schirmen in Tütenform wie von Foscarini. Dazu passen die aktuellen Einrichtungsfarben: Curry, Dunkelrot, Orange oder Petrol waren in den 50ern schon beliebt. Häufig werden sie in geometrischen Mustern verwendet, wie in der Kollektion „Osmose“ von Camengo.

„Diese nostalgische, vertraute Seite ist sehr stark Teil des Heute. Der Konsument schaut zurück in seinem Versuch, sich wohlzufühlen“, erläutert Richard Lampert, Produzent von Designmöbeln aus Stuttgart. „Avantgarde ist out. Der Klassiklook im Neuen ist gefragt.“ Der Mailänder Designer Rodolfo Dordoni nennt den Grund für die Suche nach Heimeligem: „Die Welt ist etwas durcheinander in diesem Moment. Noch immer ist die Krise nicht überwunden.“ Auch er bedient sich den bekannten Elementen: Sein zierlicher Stuhl „Flavin“ für die Minotti-Kollektion hat schräg gestellte Holzbeine, sanft gerundete Formen und der Bezug ist schlicht.

Es gibt Möbel, die seit ihrer Premiere ununterbrochen in Produktion sind. Beispiele sind Arne Jabobsens Stuhl „Ameise“ oder die Modelle seiner „7er Serie“ sowie der „CH24 Wishbone Stuhl“ von Hans J. Wegner und der „Lounge Chair“ von Charles und Ray Eames.

Der Sessel ist ein Beispiel dafür, wie viele Klassiker etwas der Zeit angepasst wurden: Vitra schaffte eine Version des „Lounge Chair“, in der auch große Menschen bequem sitzen. Außerdem entstand eine helle, leichtere Neuinterpretation: Die weißen Lederpolster sind in lasierte Furnierschalen aus hellem Nussbaum eingebettet. So passt der ursprünglich dunkle Klassiker in helle Einrichtungen.

„Der Zeitgeist und die konkrete Nachfrage nach Möbeln sind sehr stark dadurch geprägt, dass alte Entwürfe in unterschiedlicher Weise neu interpretiert werden“, erläutert Lampert. „Neue Entwürfe drücken dem alten Produkt den Stempel 'Heute' auf, aber der Urentwurf ist klar wiederzuerkennen.“ In seinem Auftrag wurde ein anderes Original verändert: Der „Lounge Chair“ von Herbert Hirche von 1953 ging 2000 neu in Serie - mit unterschiedlichen Stoffen oder einem Kuhfellbezug.

2006 veränderte der Designer Eric Degenhardt ihn weiter: Er platzierte auf Sitz- und Rückenfläche Nähte. Diese sollen dem Möbel Extravaganz verleihen. Zu viele Veränderungen dürften es bei den Klassikern aber nicht sein. „In spielerischer Weise und so, dass der Originalentwurf nicht beschädigt und seiner Würde beraubt, sondern ein Möbel unserer Zeit wird“, beschreibt Lampert die Vorgehensweise.

Andere Entwürfe sind über das bloße Entwurfsstadium damals nicht hinausgekommen und gehen erst jetzt in Produktion. Etwa der Sessel „H 57“ von Herbert Hirche, von dem es lange nur einen Prototyp gab. Lampert legte ihn 2010 auf - ebenfalls im Angebot in Varianten.

An die verspielten Formen knüpft der Designer Mario Ferrarini mit seinem Entwurf „Kalè“ für Living Divani an. Dieses Möbel eignet sich als Tisch oder als Hocker. „Für mich geht es nicht nur um das Produkt oder seine Funktion“, erläutert er. „Es soll ein Dialog zwischen dem Objekt und seinem Benutzer entstehen. Im Fall von „Kalè“ ist es besonders reizvoll, wenn mehrere davon zusammenstehen. Mich erinnern sie dann an die fröhliche Ausstrahlung einer Blumenwiese.“

Eben diese runden und irgendwie optimistischen Formen waren typisch für das Design des Jahrzehnts, in dem die Sehnsucht nach Glück und Zufriedenheit groß war. Und nach einem harmonischen Design. Nicht umsonst gilt gerade der Nierentisch bis heute als Inbegriff des Wohnens in den 50ern: Er hatte den richtigen Schwung.