Ausgesetzte Exoten gefährden deutsche Reptilien
Berlin/München (dpa) - Der leichtsinnige und falsche Umgang mit exotischen Tieren wird nach Einschätzung von Experten zunehmend zur Gefahr für heimische Arten.
„So häufig wie Reptilien hierzulande inzwischen ausgesetzt werden, steigt die Gefahr, dass sie zur ernsten Bedrohung für heimische Schlangen, Schildkröten und Echsen im Kampf um die letzten verbliebenen Lebensräume in Deutschland werden“, warnte Sandra Altherr von der Tierschutzorganisation Pro Wildlife angesichts mehrerer bekanntgewordener Fälle in den vergangenen Tagen.
Eine Boa war auf einer Toilette gefunden worden, ein verhungerter Leguan lag im Straßengraben, der Kadaver eines erschlagenen Tigerpythons verweste auf einem Parkplatz. Pro Wildlife mit Sitz in München hat den Angaben nach seit 2008 mehr als 160 Fälle gezählt, bei denen Schlangen, Echsen und andere Wildtiere gefunden wurden - entwischt oder ausgesetzt.
„Reptilien zu halten ist seit einigen Jahren der letzte Schrei“, kritisiert Altherr. Würden „Deko-Gecko“ und Co. zu groß, teuer oder gefährlich, landeten sie im Straßengraben, der Kanalisation oder im Wald. Mittlerweile habe sich eine regelrechte „Wegwerf-Gesellschaft“ entwickelt. Dabei seien die Reptilien meist von einer geeigneten Außentemperatur abhängig und bräuchten ein spezifisches Mikroklima. „Dies ist Tierquälerei, bedroht unsere heimische Artenvielfalt, und manche Arten sind auch eine Gefahr für den Menschen.“
Die Sorge um die heimische Fauna ist auch beim Bundesamt für Naturschutz (BfN) groß. Der Leiter der Abteilung Artenschutz, Dietrich Jelden, sagte der Nachrichtenagentur dpa mit Blick auf die teilweise wenig reglementierten Tier-Importe: „Seit drei Jahren beobachten wir eine besorgniserregende Entwicklung vor allem bei wenig geschützten Schildkröten.“ Diese kämen meist aus Nordamerika und könnten bei den Klimaverhältnissen in Deutschland daher überleben.
„Die landen dann in irgendeinem Teich“, sagte Jelden. Die Tiere könnten Ökosysteme verändern, indem sie zum Beispiel heimischen Arten Konkurrenz machen oder etwa wirbellose Arten fressen.
Laut BfN-Statistik wurden im Jahr 2003 gerade einmal 377 Reptilien der Kategorie III nach dem Washingtoner Artenschutzübereinkommen eingeführt, von denen besagte Schildkröten etwa 90 Prozent ausmachten. Drei Jahre später waren es bereits 31 529 Exemplare und 2008 immerhin noch 24 202. „Doch die Zahlen steigen wieder“, sagte Jelden mit Blick auf noch nicht veröffentlichte Daten.
Diese Tiere müssten beim Zoll lediglich angemeldet werden, eine Genehmigungspflicht gebe es nicht, kritisierte Jelden. „Es gibt keinen Rechtsmechanismus, der das beschränken könnte.“ So fordert auch Pro Wildlife: „Aus Tier- und Naturschutzsicht aber auch aus Gründen der öffentlichen Sicherheit gilt: Der Handel mit exotischen Wildtieren muss endlich streng reglementiert werden.“