Biogas boomt: Naturstrom mit Nebenwirkungen

Hannover (dpa) - Energiewende auf dem Acker: Die Existenzkrise der Atomkraft dürfte auch die Biogasproduktion beflügeln. Zugleich werden die unerwünschten Nebenwirkungen deutlicher - Mais-Monokulturen und steigende Flächenpreise.

Folgt der „Verspargelung“ der Landschaft durch Windräder die „Vermaisung“ Deutschlands durch den Biogas-Boom? Bei aller Zustimmung zur Energiewende: Einen allzu forschen Ausbau der erneuerbaren Quellen lehnen inzwischen auch Gegner der Atom- und Kohlekraft ab. In Niedersachsen, Bayern und den östlichen Ländern ist der Run auf Biogasanlagen besonders groß. Die Branche erwartet, dass die Herstellung von Energie und Wärme aus Biomasse nun angesichts der nuklearen Krise noch stärkeren Auftrieb bekommt. Doch gleichzeitig müssen die Investoren aufpassen, nicht übers Ziel hinaus zu schießen.

Denn die Flurschäden einer möglichen Biogas-Blase könnten beträchtlich sein. Schon jetzt ist der Flächendruck wegen des steigenden Maisanbaus groß, Energiepflanzen verdrängen mancherorts die Nahrungsmittel-Produktion. „Mais ist die am besten geeignete Ackerfrucht für Biogas, er hat den höchsten Energieanteil“, sagt der Vizechef des niedersächsischen Bauernverbands, Heinz Korte. „Tatsache ist aber auch, dass wir die wachsende Kritik ernst nehmen müssen.“

Mit der Initiative „Bunte Felder“ hat Korte, der als Landwirt selbst im Biogas-Geschäft aktiv ist, Vorarbeit geleistet. „Mehr Betreiber sollten sich verpflichten, zumindest Grünstreifen an den Rändern der Maisfelder anzulegen“, schlägt der Vize-Bauernchef im Nordwesten aufgrund der eigenen Erfahrungen als „Energiewirt“ vor.

In Gebieten mit starker Biogaserzeugung seien nicht nur die Landesregierungen mit einer besseren Regionalplanung gefragt. „Auch die Anlagenbesitzer sind in der Verantwortung, etwas zu tun“, meint Korte. Mit der globalen Verknappung von Agrarrohstoffen habe die Biogas-Verstromung indes wenig zu tun: „Die Preiszuwächse sind von den Börsen getrieben, da ist die Biomasse nur ein kleiner Baustein.“

2010 wurden in Deutschland laut Bundesagrarministerium schon 530 000 Hektar Mais zur Energiegewinnung angebaut. Dass die derzeitige Förderpraxis auch vor dem Hintergrund eines womöglich rascheren Atomausstiegs nachjustiert werden muss, gilt als ausgemacht. Andernfalls könnten die Biogas-Investoren bald Opfer ihres eigenen Erfolgs sein.

Ganz allgemein könne das Wachstum im Biogasmarkt eine Abkühlung vertragen - zumal es selbst unter dem Eindruck der Katastrophe in Japan in den kommenden Jahren „schwierig zu toppen“ sein dürfte. „500 bis 600 neue Anlagen pro Jahr würden wohl reichen. Es müssen nicht unbedingt 1000 sein“, findet Olzem. Und der Widerstand der Bürger gegen die ökologischen Folgen einer „Vermaisung“ sei - ähnlich wie bei Protesten gegen neue Windstrom-Trassen - nicht zu unterschätzen.

Die Landwirtschaftskammer in Oldenburg hatte bereits Ende 2010 festgestellt, dass der Anteil des Maises an der gesamten Fruchtfolge in manchen Gegenden über Gebühr ausgeschöpft ist. Im Bauernverband wächst ebenfalls die Vorsicht. „Wir haben Ackerbauregionen, wo die Landwirte Biogas eher als zusätzliche Einkommensmöglichkeit sehen. Und wir haben Tierhaltungsregionen, wo die Anlagendichte und die Flächenkonkurrenz relativ hoch sind.“ In Bayern gebe es zwar deutlich mehr Biogas-Standorte als in Niedersachsen; dafür lägen die Nordlichter bei der insgesamt erzeugten Energiemenge an der Spitze.

Ein Ausbau mit Augenmaß sei deshalb das Gebot der Stunde, betont der Naturschutzbund (Nabu) Deutschland. „Nach Fukushima wird es sicher noch einen Schub geben“, vermutet dessen Bioenergie-Experte Uwe Baumert. Diesen gelte es durch gute Regionalplanung und neue Ausgleichsflächen zu steuern. Die Alternative: „ein Umweltdebakel“.

Die Biogasbranche schneide sich ins eigene Fleisch, wenn sie sogar Moorflächen für den Maisanbau ins Visier nehme, warnt Baumert. „Wir haben bei der ländlichen Bevölkerung die Windenergie an die Wand gefahren, obwohl wir sie brauchen. Die Gefahr sehe ich auch bei der Bioenergie.“