Biologischer Pflanzenschutz: Marienkäfer statt Chemiekeule
Baruth/Mark (dpa) - Marienkäfer und Milben statt Chemie. Biologischer Pflanzenschutz ist in Deutschland gefragt. Tendenz steigend. Ein Beispiel dafür kommt aus Brandenburg.
In den Plastikboxen ist das große Fressen angesagt: Horden von Marienkäfern machen sich über Blattläuse her. Heinrich Katz blickt zufrieden. Er hat es auf die Eier der Marienkäfer abgesehen. Die vertreibt seine Firma im brandenburgischen Baruth/Mark an Hobbygärtner. „Weil sie auf ihre Rosen keine Chemie spritzen wollen“, sagt Katz. Das Blattlaus-Problem erledigen die Marienkäfer. Die Nachfrage nach biologischem Pflanzenschutz ist in Deutschland steigend, wie von Hersteller-, Verbands- und Behördenseite bescheinigt wird. In Brandenburg sei die Katz Biotech AG bislang die einzige Firma, die Nützlinge züchtet.
Auf dem Firmengelände krabbelt, fliegt und kriecht es in beinahe jeder Ecke. Einige der 40 Mitarbeiter stehen an großen beweglichen Tragflächen in Gewächshäusern, auf denen Dutzende Bohnenpflanzen stehen. Es sieht aus wie in einer riesigen Gärtnerei. Das eigentliche Objekt der Begierde ist erst beim näheren Hinsehen sichtbar: Raubmilben an den Blättern. Diese werden in großem Stil hier gezüchtet. Die kleinen Tierchen machen sich an Spinnmilben zu schaffen, wie Firmenchef Katz erklärt. „Gärtnereien setzen die Nützlinge zum Beispiel bei Gurken oder Erdbeeren ein.“ Die Firma gibt es seit 2003.
Nützlinge wie Milben oder Käfer werden in deutschen Gewächshäusern immer häufiger eingesetzt, wie der Experte für Biologischen Pflanzenschutz des Julius Kühn-Instituts in Darmstadt, Johannes Jehle, sagt. Was sind Gründe dafür? „Wenn chemisch gespritzt wird, darf sich tagelang niemand in den Gewächshäusern aufhalten. Das ist für viele umständlich und nicht gerade lukrativ“, so der Experte des Bundesforschungsinstituts. Zudem seien viele Schädlinge durch jahrelanges Spritzen resistent gegen chemische Mittel geworden. Bei Tomaten, Gurken, Paprika oder Zierpflanzen griffen viele Anbauer auf die biologische Alternative zurück, sagt Jehle. Heute gebe es 80 Arten von Nützlingen, die in Deutschland vertrieben werden. Zum Vergleich: „1990 waren es fünf.“
Dem Dachverband der Hersteller biologischer Pflanzenschutzmittel IBMA zufolge gibt es in Deutschland weniger als zehn Firmen, die Nützlinge züchten. Hinzu kämen noch etwa zehn Händler. Im Gemüse- und Obstanbau in Deutschland liege der Marktanteil von biologischen Schädlingsbekämpfungsmitteln nahezu bei zehn Prozent.
Ist es denkbar, dass chemische Mittel einmal vom Markt verschwinden? Der allgemeine Tenor lautet: Unterschiedliche Werkzeuge im Pflanzenschutz sind sinnvoll. Der Industrieverband Agrar als Vertreter der agro-chemischen Industrie in Frankfurt/Main ist der Auffassung: „Biologischer und chemischer Pflanzenschutz können sich ergänzen; auf absehbare Zeit werden biologische Maßnahmen aber den chemischen Pflanzenschutz nicht ersetzen können.“ Chemische Pflanzenschutzmittel zeichneten sich durch eine bessere Wirksamkeit aus.
Jehle betont: „Die Natur reguliert sich zwar selbst, aber die Dauer der Regulation kann man nicht vorherbestimmen.“ Das sei eine Gefahr für die Wirtschaftlichkeit der anbauenden Betriebe. Chemische Mittel gäben eine gewisse Sicherheit. Bei biologischen Mitteln sei die Wirkungssicherheit geringer. Und: „Ein Landwirt braucht viel Erfahrung und Beratung, um mit den biologischen Mitteln effektiv umgehen zu können.“
In einem anderen Bereich der Baruther Firma sieht es nicht mehr wie in einer Gärtnerei aus, sondern wie in einem Logistikzentrum. Eine Zeichnung auf einer Tafel gibt den Mitarbeitern Sicherheit, was die Kartons und Tüten für die Nützlinge angeht: „Lausmix Box“ steht darauf, daneben: „Schlupfwespen in Tüte“.
Die Kunden, die Nützlinge beziehen, sind mehrheitlich Gärtnereien, wie Katz sagt. Ökologische Anbaubetriebe machten dagegen nur fünf Prozent der Kundschaft in diesem Bereich aus. Die Nachfrage steige, auch in Brandenburg. Katz ist optimistisch: Die Firma rechnet in diesem Jahr mit einem Umsatz im Schädlingsbekämpfungsbereich in Höhe von 2,5 Millionen Euro - eine satte Steigerung um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr.