Foodsharing Kostenloses Abendbrot mit gutem Gewissen zum Dessert
Leipzig (dpa) - Taufrisch sind Möhren, Porree und die schon leicht angeschlagene Aubergine zwar nicht mehr, die in einem Kühlschrank am Chemnitzer Studentenwohnheim liegen. Dafür darf man sie kostenlos mitnehmen, genauso wie die Kartoffeln, die in einer Gemüsekiste daneben stehen.
In einem der Schränke findet sich sogar noch eine Dose passierter Tomaten - fertig ist die Gemüsepfanne zum Nulltarif. Foodsharing(Englisch für Essen teilen) heißt die Idee, die auch in Sachsen immer mehr Anhänger findet. Eine von ihnen ist die Chemnitzer Psychologie-Studentin Anja Konhäuser (20).
Wer etwas übrig hat, weil er zum Beispiel verreist, kann seine Lebensmittel über die Webseite www.foodsharing.de verschenken statt sie zu entsorgen, wie sie erläutert. Alternativ kann man Nahrungsmittel auch zu einer von drei Chemnitzer Verteilstationen bringen. Einer dieser sogenannten Fair-Teiler findet sich unter einem Balkon des Chemnitzer Studentenwohnheims.
Die Tür zu diesem Kühlschrank steht jedem und vor allem rund um die Uhr offen, betont Konhäuser. Sie kontrolliert regelmäßig, ob die angebotenen Lebensmittel noch in Ordnung sind und reinigt den Fair-Teiler. Seit einem Jahr ist sie als Essensretterin aktiv, weil ihr die Verschwendung von Essbarem zuwider ist. „Der Grundgedanke beim Foodsharing, nämlich Lebensmittel retten, die sonst im Müll landen, hat mir auf Anhieb gefallen.“
Laut einer Studie der Umweltorganisation WWFfliegen in jeder Sekunde 313 Kilogramm genießbare Nahrungsmittel in die Tonne - allein in Deutschland. Insgesamt gehen demnach hierzulande jährlich über 18 Millionen Tonnen Nahrungsmittel verloren. Das entspreche fast einem Drittel des aktuellen Lebensmittelverbrauchs. Etwa 15 Prozent der deutschen Ackerfläche werden für die Tonne bewirtschaftet, wird in der Studie von Juni 2015 beklagt.
Rund 40 Prozent der weggeworfenen Lebensmittel werden demzufolge beim Endverbraucher entsorgt, ein weiteres Drittel im Handel und bei Großverbrauchern. Wer solche Lebensmittel jedoch beispielsweise aus der Abfalltonne eines Supermarkts holt, muss sich unter Umständen für das sogenannte Containern strafrechtlich verantworten. Um der Verschwendung dennoch etwas entgegen zu setzen, gründete sich im Dezember 2012 in Köln der Verein Foodsharing. „Es entstand die Idee, dass Menschen legal durch die Vordertür gehen können, um Lebensmittel zu retten“, erklärt der Vereinsvorsitzende Frank Bowinkelmann.
Neben dem privaten Teilen von Essbarem kooperiert der Verein bundesweit mit 2700 Unternehmen vom Supermarkt bis zum Restaurant. 5,9 Millionen Kilogramm Lebensmittel habe man so bisher vor der Tonne bewahren können. Mehr als 20 000 Menschen hätten sich inzwischen angemeldet, berichtet Bowinkelmann. „Derzeit wachsen wir rasant und wollen damit zukünftig auch in ländlichen Regionen aktiver werden.“
In Sachsen sind rund 550 sogenannte „Foodsaver“ angemeldet, aktuell kooperiere man mit etwa 100 Betrieben, sagt Anna-Maria Engel. Sie ist seit Sommer 2014 als Lebensmittelretterin in Leipzig aktiv und wirbt als Botschafterin für Sachsen im gesamten Freistaat für die Idee. Außer in Chemnitz gibt es in Leipzig fünf Fair-Teiler. Dresden und Freiberg haben jeweils zwei Mitnahme-Stationen. Jenseits der Ballungsgebiete seien auch die ersten kleineren Initiativen im Aufbau, etwa in Nord- oder Ostsachsen.
Während sich in Chemnitz und Freiberg in erster Linie Studenten engagieren, gibt es in Leipzig etliche Lebensmittelretter jenseits der 50, berichtet Anna-Maria Engel. Sie selbst betreut einen Fair-Teiler im Osten der Stadt. Der Standort sei gut frequentiert, etwa 1000 Menschen nutzten die angebotenen Lebensmittel, schätzt sie. „Wenn man etwas reinlegt und sich umdreht, ist es auch schon weg“, berichtet die 35-Jährige.
„Natürlich ist das, was wir machen, im Großen gesehen ein Tropfen auf den heißen Stein. Aber es ist ein Anfang und wir verbreiten damit die Idee“, ist die Leipzigerin überzeugt. Auch für Vereinschef Bowinkelmann steht die Sensibilisierung der Menschen im Vordergrund. Zukünftig wolle der Verein noch stärker darauf aufmerksam machen, dass das Wegwerfen von Lebensmitteln hierzulande mit dem Hunger in der Welt zusammenhänge.