Schwarze Tomaten, lila Möhren: Raritäten aus „Gretes Garten“
Laage (dpa) - In „Gretes Garten“ im mecklenburgischen Stierow wachsen seltene, kuriose und fast vergessene Obst- und Gemüsesorten. Margarete Peschken will traditionelle Sorten erhalten. Sie verkauft schwarze Tomaten und lila Möhren, aber auch das Saatgut an Liebhaber.
Weltweit soll es etwas mehr als 4000 registrierte Tomatensorten geben und noch einmal so viele namenlose, nicht registrierte Sorten. Von dieser Vielfalt ist in deutschen Gärten und auf deutschen Tellern jedoch nur wenig zu sehen. Zwar rangiert die Tomate auf der Gemüse-Beliebtheitsskala der Deutschen unangefochten auf Rang Eins - statt Sortenvielfalt dominieren aber nur eine Handvoll Hybriden wie „Harzfeuer“ und „Sungold“ den Markt.
Anders in Margarete Peschkens Garten und im Samenlager der Saatgut-Züchterin in Stierow im Landkreis Rostock. Hier finden sich alte und bei vielen in Vergessenheit geratene Sorten. Bei den Tomaten zum Beispiel die „Schwarze Russische“ oder die „Pernau Orange“ - eine Salattomate mit runden, leuchtend orangefarbenen Früchten, die viel Süße besitzen, saftig und gut im Biss sind, wie die Biogärtnerin schwärmt.
Auch andere alte und oft vergessene Gemüse- und Getreidevarianten sowie anderswo als „Unkraut“ taxierte heimische Kräuter wachsen in dem rund sieben Hektar großen Garten heran. Peschken züchtet auch Zierpflanzen, die in den alten Bauerngärten heimisch waren, und bietet Saatgut von Wildkräutern für Hobby- und Kleingärtner im Versand an. In der Saison liefert sie zweimal pro Woche Pflanzen und frisches Gemüse auf zwei Berliner Wochenmärkte oder direkt an Gemüse-Abo-Kunden.
„Wenn ich auf den Grünmarkt in Berlin gehe, verkaufen sich klassische Gemüse nicht so gut. Dort ist all das Spezielle und Besondere gefragt“, berichtet die 49-jährige Seiteneinsteigerin, die seit fast zehn Jahren gärtnert. „Die Großstädter wünschen immer öfter Schwarzkohl statt Grünkohl, lila Möhren und schwarze Tomaten.“ Es gebe immer mehr Liebhaber, die sich an einen Geschmack aus Kindertagen erinnern oder einen speziellen Augenschmaus auf dem Teller haben wollen. An diesem Wochenende beginnt in Stierow der Verkauf von Jungpflanzen.
Auch die Nachfrage nach Saatgut für das etwas andere Gemüse wächst, stellt die Züchterin fest. Samentauschbörsen bekommen immer mehr Zulauf. Auch die großen Saatgutanbieter versuchen, Neues und Besonderes anzubieten.
Den ganzen Winter über hat Grete Peschken in der vorigen Saison gewonnenes Saatgut sortiert, eingelagert und für den Versand eingetütet. Über die Kooperative „Samenbau Nordost“, einem Zusammenschluss von vier Gärtnerbetrieben aus Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, können Samen für den heimischen Garten geordert werden. Die vier Öko-Gärtnereien betreiben eine streng biologische Saatgutvermehrung. „Wir bauen vornehmlich alte Sorten, Raritäten und Wildpflanzen an“, erklärt Peschken.
Bernd Schulze von der Hochschule Neubrandenburg ist begeistert von der Vielseitigkeit an Sorten, die Züchter wie Grete Peschken vor dem Vergessen bewahren. „Gerade in Kleingärten sind wohlschmeckende und außergewöhnliche Sorten etwas ganz Besonderes. Oft erfreut schon die Wuchsform das Auge“, meint der Mitarbeiter im Fachbereich Agrarwirtschaft und Lebensmittelwissenschaften.
Schulze ist der „Herr“ über die Gewächshäuser und den Lehr- und Schaugarten der Hochschule am Tollensesee. Auch er baut mit künftigen Agraringenieuren, Lebensmitteltechnologen und Landschaftsgestaltern seltene Kartoffel- und Getreidesorten an, „damit die Studenten in ihrer Ausbildung auch die Pflanzen zu sehen bekommen, die aus der Landwirtschaft weitgehend verschwunden sind.“
Der Wissenschaftler bedauert, dass gerade Kartoffeln in den Supermärkten oft ein trostloses Dasein führen. Das „Bamberger Hörnchen“, eine Kartoffelsorte, für die er besonders schwärmt, habe in der durchmechanisierten Landwirtschaft und technisierten Lebensmittelindustrie keine Chance. „Umso grandioser, dass Gärtner wie Grete Peschken sich der traditionellen Sorten in der Nische annehmen“, sagt er.
Schulze hofft, dass die EU mit der Neuregelung des europäischen Saatgut-Marktes die alten und seltenen Sorten nicht verschwinden lässt. Damit ginge die genetische Vielfalt verloren. Laut EU müssen aus Gründen der Transparenz künftig auch sogenannte Erhaltungs- oder Amateursorten registriert werden. Peschken rechnet mit mehr bürokratischem Aufwand sowie nicht unerheblichen Gebühren für die Registrierung.