Sparen ist mühsam: Energiewende in der Großstadt
Berlin (dpa) - Ein einziges Windrad steht in Berlin, für mehr gibt es keinen Platz. Metropolen können nur wenig erneuerbare Energie erzeugen. Umso mehr gilt: Sie müssen Strom und Wärme sparen.
Ein Verbrennungsmotor, ausgerechnet. Norbert Reinelt lüpft die schallisolierte schwarze Abdeckung und bringt Berlins Klima-Hoffnung zum Vorschein. Der Vierzylinder knattert auf vollen Touren, es wird heiß in dem Keller eines Wohnblocks in Weißensee. „Wir erzeugen hier Strom und Wärme zugleich“, ruft der Architekt, der Motor treibt einen Stromgenerator an, mit der Abwärme wird geheizt. „Damit holen wir deutlich mehr Energie aus dem eingesetzten Brennstoff als herkömmliche Heizungen.“
Blockheizkraftwerke wie dieses sollen in Berlin die Energiewende maßgeblich vorantreiben - denn die Stadt weiß: Sie hat kaum Platz für Windräder oder Biomasse-Anlagen; ein großer Produzent erneuerbarer Energie wird sie nie sein. Aber beim Energiesparen kann die Millionenmetropole jede Menge rausholen - theoretisch. In der Praxis aber kosten neue Heizungen und Wärmedämmung erst einmal jede Menge Geld, und so beißt sich der Senat an dem Thema die Zähne aus.
Nach langem Streit hat Rot-Rot sein geplantes Klimaschutzgesetz vor dem Wahljahr ad acta gelegt. Es hätte Vermietern Vorschriften etwa für Heizungen gemacht und nach Senatsangaben Mietsteigerungen von bis zu einem Euro pro Quadratmeter gebracht. Und so lange es nur die Mieter sind, die die hohen Heizkosten zahlen, werden auch wenige Vermieter die Häuser dämmen, klagte der Senat.
In Weißensee ging es ohne Gesetz: Norbert Reinelt hat die Mitglieder seiner Wohnungsgenossenschaft GeWoSüd so lange gedrängt, bis sie bereit waren, die Kosten zu tragen. Die 30er-Jahre-Wohnblocks wurden aufwendig gedämmt und erhielten sechs Blockheizkraftwerke, jedes versorgt 60 bis 75 Wohnungen. „Wärme ist bei uns teurer, wir müssen die Geräte ja refinanzieren“, gibt Reinelt zu. „Aber weil wir weniger verbrauchen, sind die Betriebskosten niedrig.“
So sieht auch der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jürgen Becker (CDU), Möglichkeiten für Städte wie Berlin. „Beim Sparen ist das Handlungsfeld groß.“ Er nimmt die Hauptstadt aber auch in die Pflicht, wenn es darum geht, saubere Energie zu erzeugen, etwa durch Solarmodule auf Dächern oder durch Erdwärmeanlagen. „Das sind Möglichkeiten auch für Berlin.“
Tatsächlich gibt es in der Stadt schon prominente Beispiele: Das Dach des Technik-Museums etwa ziert eine Solaranlage, sogar auf dem Roten Rathaus glitzert eine in der Sonne. Auch auf den Dächern der GeWoSüd entsteht Strom aus Sonne. Doch Volker Gustedt macht sich keine Illusionen. 0,2 Prozent der Energieerzeugung in Berlin kämen aus Solarzellen, sagt der Sprecher der Berliner Energieagentur. „Wir glauben, dass wir bis 2020 auf ein Prozent erhöhen können - also das, wo wir bundesweit jetzt schon sind.“
Von Berlins Dächern - insgesamt 45 Quadratkilometern - sei erfahrungsgemäß nur jedes zehnte zu gebrauchen, berichtet Gustedt. Bei den übrigen halte das alte Gebälk einer Solaranlage wohl nicht Stand. Und: Die öffentlichen Wohnungsunternehmen und Genossenschaften, denen jede vierte Wohnung gehört, verlieren Steuervorteile, wenn sie sich auch als Stromproduzenten versuchen.
Wenn die Agentur trotzdem hofft, den Anteil erneuerbarer Energien insgesamt in den nächsten neun Jahren von gut 2 Prozent auf 14 bis 15 Prozent zu erhöhen, dann liegt das auch daran, dass der Energiekonzern Vattenfall ein Kohlekraftwerk schließt und zwei neue für Biomasse baut. Dort soll Holz aus aller Welt verfeuert werden. Auch das gilt als erneuerbare Energie.
Blockheizkraftwerke wie in Weißensee gibt es nach Angaben der Agentur stadtweit etwa 400, die Zahl soll bis 2020 verfünffacht werden. Doch für eine wirkliche Energiewende ist auch dabei entscheidend, was verfeuert wird. Architekt Reinelt gibt für seine Anlage zu: „Wir verbrennen konventionelles Erdgas. Biogas wäre derzeit noch zu teuer.“