Das Rätsel um die toten Greifvögel

Stuttgart (dpa) - Ein Rotmilan, dem die Beine abgetrennt wurden, hier. Ein vergifteter Wanderfalke, da. Immer wieder werden verwundete, gefangene oder vergiftete Greifvögel gefunden, für deren Tod oder Verletzung laut Naturschutzbund Nabu Menschen verantwortlich sind.

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700 Fälle wurden in den vergangenen Jahren vom Nabu registriert. 1130 Greifvögel wurden dabei gefangen, verletzt, getötet, abgeschossen oder ihre Bruten gestört. „Das sind kriminelle Taten“, sagt Jürgen Becht von der Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz im Nabu. Schwerpunkt sei Nordrhein-Westfalen, aber auch der Südwesten.

Die Vergiftung streng geschützter Greifvögel sei „kein Kavaliersdelikt“, heißt es im Naturschutzministerium in Stuttgart, und müsse „mit aller Härte“ verfolgt werden. Nach Angaben des Nabu wurden vergiftete Fleischköder gefunden, andernorts auch Gifteier. Die Täter dieser Attacken blieben stets unerkannt. Im Südwesten liegt die Aufklärungsquote gar bei null, andernorts nicht viel höher.

Die Dunkelziffer sei hoch, berichtet Nabu-Landeschef Andre Baumann, zumal viele Tötungen gar nicht als solche erkannt würden, etwa weil der tote Greifvogel dann selbst zur Nahrung werde. „Wir bekommen nur die Spitze des Eisbergs mit.“

Fürchten Taubenzüchter um ihre Rassetiere? Die perfideste Art, einen Greifvogel zu töten, ist es laut Nabu, präparierte Tauben als Köder zu benutzen. Dabei werde deren Nackengefieder mit einer hochkonzentrierten Giftlösung bestrichen und die Tiere losgeschickt. Der Wanderfalke als erster Fressfeind der Taube schlägt die „Giftbombe“ - und stirbt.

Der Verband Deutscher Brieftaubenzüchter, wehrt sich: „Schwarze Schafe mag es geben, aber als Verband können wir uns von sowas nur distanzieren“, sagt Christoph Schulte von der Zeitung „Die Brieftaube“. Es sei aber auch so, dass die Zahl der Wanderfalken deutlich zugenommen habe. Und viele Taubenzüchter hätten so ihre Mühe mit dem Greifvogel, der seine Beute im Flug schlägt. Viele Brieftauben sind 50 Euro wert, die besten mehrere zehntausend. Es soll auch schon mal eine für 300 000 Euro versteigert worden sein.

Oder stecken Jäger hinter den Attacken? „Jäger sehen in Greifvögeln Konkurrenten bei der Jagd auf Hasen, Rebhühner und Fasane“, sagt Baumann. Doch Armin Liese, Sprecher des Landesjagdverbands in Stuttgart, hält das für abwägig: „Die Anschuldigungen sind nicht haltbar.“ Das Gegenteil sei wahr: Die Jäger beteiligten sich aktiv am Artenschutz, etwa beim Monitoring für Greifvögel. Kein Jäger würde seinen Jagdschein gefährden, indem er streng geschützte Vögel vergifte oder abschieße. Womöglich gingen die Vögel daran zugrunde, dass sie aus dem Fettgewebe diverser Kleinsäuger Giftstoffe aus der Landwirtschaft aufnähmen.